A220: Liebelei. Erstes Bild, Seite 5

Nr. 3091
DER WIENER TAG
Seite 9
Wien, Freitag
25 Dezember 1931
Fritz (zu Christine): Ja, was ist Ihnen
zi: Aber wir können nicht zusammen
denn?
's fallt ja auf!
Christine: Ich glaub', es wird doch
Christine: Das ist wahr. Die haben da
noch nicht mit dem Tanzen gehn — ich brauch'
gleich was zu reden.
Fröhliche Weihnachten
nur ein bissel schneller auf- und abzugehen,
Theodor: Na, so gehn wir halt voraus
und's dreht sich schon alles.
und am Eck unten bei der Kirchen treffen wir
allen meinen geschätzten Kunden!
Mizzi (sich umwendend): Was? Es dreht
uns. Ist’s recht so?
sich schon wieder alles?
Mizzi: Ja, gut is!
Theodor: Aber wir müssen doch gar nicht
Christine: Das merken die ja auch.
tanzen! Setzen wir uns daher und planschen
Mizzi: Das kann ja a Zusall sein!
wir miteinander.
Theodor: Also bleibt's dabei — unten
an der Ecke? — In fünf Minuten.
Christine: Wär' mir beinah' lieber!
Julius Krupnik
Mizzi: Das kann der Herr Döselmeyer
Mizzi: Gut is
Fritz: Also auf Wiedersehen!
nicht leiden!
VII., Kaiserstraße 115
(Ein Walzer beginnt.)
Theodor: Überlassen Sie das mir!...
Theodor: Pah! — (Handbewegung.)
So! (Er nimmt vier Stühle, stellt sie zu zwei
(Theodor und Fritz ab.)
und zwei vis-à-vis voneinander auf.) Da
(Der Walzer ist sehr laut; die Paare tanzen
nehmen Sie vor allem Platz schwindliges
Christine: Was wollen Sie denn mit
Christiue: Na also, das wissen Sie jetzt
Mizzi (zu Christine): Weißt, ich wer¬
Fräulein — hier Sie, und jetzt...
der langen Rede?
Theodor: Ich schlage daher vor, dieses / sogar noch a Tour tanzen; damit s' nix merken.
Döselmeyer junior (sehr zart): Aber ganz bestimmt!
Fritz (sie näher betrachtend): Halt — da
Weber (kommt an sie heran): Darf ich
meine Herrschaften, was ist denn das?
muß ich eigentlich schon früher gewußt haben. Ballokal zu verlassen, eine halbe Stunde in
bitten. (Tanzt mit ihr weg.)
Theodor: Das Fräulein ist
Christine: Wie so denn? — Ich kenne der herrlichen Abendluft zu bummeln
Christine (steht an der Tür).
ewas
eventuell spazieren zu fahren — und da
Mizzi: Gehn S', Herr Döselmeyer, die Sie nicht.
Nach einer Tour schon bleibt Mizzi stehen,
Fritz: Wir müssen uns doch einmal be¬ schöne Fest bei einem gemütlichen Glase Wein
geht zu Christine hin, beide gehen zur
Christine ist wirklich noch nicht ganz bei
zu beschließen.
gegnet sein.
Garderobe und verschwinden.)
Mizzi: Aber das geht ja nicht. Ich muß
nander.
Christine: Das wär' schon möglich. Man=
Döselmeyer junior: Aber bitte sehr —
trifft sich ja auf der Straßen so leicht. Aber da/vor Zehn zu Haus sein.
Lina (kommt zum Ausgang; zu Dösel-
wie's den Herrschaften angenehm ist
Theodor: Sie können vor Zehn zu Haus meyer junior:): Is die Fräul'n Mizzi und die
werden Sie sich doch kaum auf mich erinnern
Theodor: Darf man da rauchen?
Fritz: O, das wäre schon möglich. Man sein.
Fräul'n Christin schon weggegangen?
Döselmeyer: O bitte — nur nicht zu
Mizzi: Wie spät is denn?
Weidmann (ihr nach): Was willst denn?
viel, bitte — es ist jetzt übrigens schon bald weiß selber gar nicht, wie sich einem manch
Theodor: Es ist noch nicht einmal neun
Döselmeyer junior: Ja, ich glaub', die
(Schlägt! Gesichter einprägen, die man mit einiger Auf
aus, da geniert's nicht mehr. —
Damen haben sich bereits entfernt.
Christine: Mit dem Spazierengehen bin
merksamkeit angeschaut hat. Sicher hab ich Si=
wieder in die Hände; die Paare haben sich
Weber: Ja.
ich einverstanden
schon gesehen.
rangiert.) Pantalon!
Weidmann: Und die zwei Gigerln sind
Theodor: Und das gemütliche Glas auch verduftet.
Christine: Wohnen Sie vielleicht au
Wein lehnen Sie ab?!
Die Quadrille wird getanzt; Weidmann mit der Wieden?
Weber: Nein, nein, sind keine Gigerln.
Mizzi: Wir kennen uns doch kaum eine Rußerst scharmante, wirkliche vornehme
Lina; Lina schaut zuweilen zu den vorn
Fritz: Nein, aber ich komme nicht selten
Stunde lang! Und Sie laden uns zu einem Herren!
sitzenden Paaren hin. Weidmann scheint yle in die Gegend; ich had' nämlich die Wieden
Souper ein!
zurechtzuweisen. Müller tanzt mit einem sehr gern.
Lina: Geh' mer auch — ja?
Theodor: Souper!! (Zu Christine.) Bitte
jungen Mädchen, Weber gleichfalls.)
Christine: Ich hab' gedacht, daß Sie
Weidmann: Jetzt will s' gehn; jetzt will—
Fräulein, hab' ich ein Wort von einem Souper
Theodor: So, da hätten wir nun unsre pielleicht an der Technik studieren.
gehn!... Jetzt sag' i aber: da wird blieben!
gesagt? Ein Glas Wein! Um Zehn sind sie zu Tanzt wird!
Fritz: Nein. — Raten Sie einmal, wa-
ganze Behaglichkeit, Musik obendrein und
Haus! Zu essen kriegen Sie gar nichts, ab¬
Lina: I — geh'! — (Sie geht in die
lassen die andern herumtanzen, als wenn sie ich bin.
Christine (lächelnd): Ihr Freund hat’s solut nichts.
Garderobe.)
unsere Sklaven wären.
Mizzi: Die Mutter wart' mit dem Nacht¬
Mizzi (zu Christine): Schau dir das an! ja schon gesagt... Lebemann!
Weidmann (starr vor Wut)
mahl auf mich.
Jetzt tanzt der Weber mit der Katharin!
Müller (ist dazugekommen): Die Fräul'n
raten
Fritz: Nein, im Ernst;
Theodor: Was gibt's denn heut Gutes
Theodor: Kümmern wir uns um die einmal!
Lina geht schon fort!
Mizzi: Das ist egal. Zu Haus muß ich
Christine: Ich denke mir, Sie sind
Weidmann (zu Müller): Aff! (Er folgt
Skaven nicht.
halt sein.
Christine (zu Fritz): Sind Sie auch nein, Beamter sind Sie keiner.
Lina rasch.)
Theodor: Aber um Zehn sind Sie ja
schon früher einmal dagewesen?
studieren Sie!
Müller (zu Weber): Warum ist er denn
schon eine Stunde lang zu Haus!
Fritz: Aber was?
so grantig!
Fritz: Nein. Sie kommen oft hieher
Mizzi: Wenn's jetzt Neun ist.
Weber: Eisersucht! Eifersucht! — Ich bitt'
Fräulein?
Christine: Auf Advokat?
Fritz: Gehn wir endlich weg; gegen das Sie — die Weiber!..
Christine: Jetzt war ich schon lang nicht
Fritz: Richtig! Aber es wird noch einige Spazierengehen haben Sie ja nichts einzu¬
Müller: Die weiber! Die Weiber? —
Zeit dauern! Vorläufig habe ich noch so viel wenden.
Theodor: Ich muß sagen, hier gefällt':
Ja freilich! (Lacht vom ganzen Herzen.)
Zeit zum Spazierengehen!
Mizzi: Na ja... gegen ’s Spazieren
mir besser als auf jedem großen Ball.
(Musik und Tanz dauern fort.)
Christine: Und da suchen Sie sich gerad gehen -
Mizzi: Sie gehn sicher viel auf die die Wieden aus?
Theodor: Na, und das übrige wird sich
Vorhang
großen Bälle!
Fritz (sie betrachtend): Im Theater haben finden.
— — Ende des ersten... Rism.
Theodor: Es ist nicht so arg. Warum wir uns einmal gesehn.
glauben Sie das übrigens?
Christine: Das wär' nicht unmöglich. d noch viele andre Gelegenheltskäufe!
S 5.90. 3.90
Mizzi: Na — Sie schaun mir grad so Im vorigen Winter war ich öfters im
Fahrtvergütung!
ogabe vorbehalten!
aus, als wenn Sie ein großer Drahrer
Theater.
wären!
Fritz: Nicht allein!
Freitag u. Samstag
Theodor: Danke bestens. Stimm:
Timann II. Taborstrasse 48
Christine (einfach): Nicht allein.
geschlossen.
übrigens nicht. Ich bin ein ganz kleiner
Fritz: Und den letzten Winter?
Verkauf ab Montag
Drahrer. (Auf Fritz weisend.) Der da ist
Christine: Bin ich nirgends gewesen.
9 Uhr früh!
einer!
Fritz: Ja, was haben Sie denn an den
Christine: So?
langen Abenden angefangen?
keine Unterhaltung, auf kein Ball, in kein gegen): Vielleicht gefällig abzulegen — (Ist
Theodor: Das ist geradezu ein Lebe¬
Christine: O Gott, es gibt immer was
ihnen selbst beim Ablegen behilflich. Theodor
Theater?
mann!
zu tun.
reicht ihm die Hand.)
Mizzi (gesellt sich zu ihnen).
Mizzi: So?
Fritz: Freilich, aber man sehnt sich doch
Christine: Nein; ich hätt' übrigens
Weidmann (zu Döselmeyer semior):
Fritz: Ja!
nach einer Zerstreuung.
Is das ein Bekannter von Ihrem Herrn
kaum Zeit gehabt.
Mizzi: Aber warum machen S' denn
Christine: Ich hab' mich heuer nach gar
Lina: Ah, bitt' dich, wegen der Zeit! Ich Sohn?
dann kein lustiges Gesicht?
keiner Zerstreuung gesehnt, überhaupt nach
Mizzi: Den größeren kenn ich ja...
hab' im G'schäft auch viel zu tun!
Christine: Du verlangst aber auch von
gar nichts!
Christine: Na ja, aber du bist doch den mit dem Pelzkragen. Der war heuer schon
jedem, daß er immerfort lustig ist.
Fritz: Sehen Sie, — jetzt haben Sie mir schließlich bei deinen Eltern zu Hause.
einmal da!
Fritz (zu Christine): Da hat Ihre Freun¬
Mizzi: Freilich, das ist was ganz
Lina: Schauen sehr elegant aus, beide.
din auch ganz recht! Mit einem traurigen Ge=
Christine: Was denn?
Weidmann (ingrimmig): Fliegt schon
anders. Na ja gewiß... wenn man sich so
sicht soll man nie unter die Leute geh'n. Denn
Fritz: Jetzt kenne ich Ihre ganze Lebens¬
selber alles richten muß!
wieder auf ein’ neuen Winterrock.
unsre Traurigkeit geht niemanden was an.
geschichte!
Lina: Aber Arbeit bleibt Arbeit — mei=
Weber (zu Christine): Wollen Fräulein
Christine: Das ist freilich wahr; aber
Christine: Gehen S'! Möchten S' mir Mutter macht mir doch keine Stickerei fertig
nicht etwas Weniges im Saal promenieren?
man kann sich's ja doch nicht so anschaffen.
die nicht erzählen?
(Sein Hochdeutsch steigert sich mit jeder
fürs G'schäft
Mizzi: Na ja; es komt schon manchmal
Fritz: Sie haben ihn viel zu gern gehabt
Mizzi: Na ja — aber per kocht dem Sekunde.) Wenn man schon das Glück nicht
vor, daß einem alles zuwider ist, und man¬ Das ist er nicht wert gewesen.
Fräulein in der Früh ein Kaffee? — Die genießen kann, Rundtänze mit Ihnen zu
weiß nicht einmal recht, warum.
Christine: Das könnt' schon möglich
Mutter —
tanzen
Christine: Gewöhnlich weiß man's recht
Weidmann (zu Lina, die Fritz und
Lina: Na ja... na ja... das is schon
Fritz: Und dann... haben Sie sich halt wahr.
Theodor betrachtet): Komm', promenieren wir
Döielmeyer junior: Ein Visavis! Ein gekränkt.
auch. — Fliegst vielleicht auch auf die gelben
Mizzi: Na, und so is mit tausenderlei
Christine (leicht verlegen, lächelnd): I
Visavis! (Kommt zu den Paaren.) Bitte sehr
Handschuh’? (Führt sie weg.)
Kleinigkeiten. Ich seh's doch an mir!
wahr?
wir brauchen noch dringend ein Visavis!
Mizzi und Christine setzen sich auf einen
Döselmeyer senior (tritt herzu): Ja
Fritz: Und haben sich eingebildet — alles wenn die schönsten Fräulein plauschen
Theodor: Aber
Diwan links.
Döselmeyer: Ist ja gleich aus! Und ist aus.
und nöt tanzen, ja was soll'n denn dann die
Christine (sicht vor sich hin).
unter der Quadrille kann man ja auch
Herren tun?
Fritz: Aber Sie waren selber dran schull
plauschen, so viel man will.
Weidmann (hinzutretend, sehr erregt): Baron, gefällig, weiter zu spazieren?
Christine: Ich!
Theodor: Na, sollen wir uns opfern?
Fritz: Ja, freilich... Weil Sie's zu ernst/ Jetzt hab ich mit einer Dame getanzt, Lina
Theodor: Haben sich seit den letzten
Mizzi: Ist ja alles eins!
Wochen nicht ein bissel vergrößert?
die findet durchaus nicht, daß ich schlecht tanze,
genommen haben!... Man darf nicht gleich
Christine: Und uns wollt ihr da allein
Döselmeyer junior: Nein, es sieht
Lina: Tanz' weiter mit ihr.
die Ewigkeit verlangen — irgend ein unge=
sitzen lassen?
nur so aus; da oben sind ein paar Flammen
Weidmann (auf ein Mädchen weisend)
heures Glück — und den Himmel selber. Man
Fritz: Lassen wir sie nur gehn! Wir wer
mehr im Gasluster, dadurch ist’s freundlicher
muß auch mit einem kleinen blauen Eckerl zu=Mit dieser Dame dort!
den uns schon allein unterhalten.
geworden.
Lina (ungeheuer verächtlich): Mit der?
frieden sein.
Theodor und Mizzi fort zu den Paaren
Theodor: Ja, ganz richtig. -
Christine: Aber wenn man immer Tanz' weiter! -
zu Christine): Jetzt passen S' auf, was das für
Döselmeyer junior: Die Herren wer¬
Weidmann: Willst nicht noch
gleich den ganzen Himmel versprochen kriegt
ein Lebemann ist.
den hoffentlich auch tanzen.
Fritz: Vor denen, die so viel versprechen, Tour versuchen? (Die Musik hört auf.)
Theodor: Na freilich!
Aber bitte,
(Quadrille beginnt.)
Lina: Schon aus!
soll man sich in acht nehmen:
Müller (tritt herzu, sehr erhitzt): Das | stören Sie sich doch unsertwegen nicht länger.
Fritz: Sagen Sie einmal, Fräulein, bei
(Die Quadrille ist aus.)
(Theodor und Mizzi zu den beiden nach vorn.) is die Liebe — ja ganz allein!
hagt's Ihnen eigentlich da unter allen diesen
Weber (tritt herzu): Wie's jetzt aber bei
Leuten?
Mizzi: Ja, ob's aber die Christine wollen Ihnen zugeht. Herr Döselmeyer! Werden sich
Christine: Ich muß mich erst allmählig wird? Du, Christin'!
ja bald den Sophiensaal mieten müssen!
wieder daran gewöhnen.
Fritz: Weißt du, wie lang sich finden
Theodor: Hochverehrtes Fräulein! Ich
Döselmeyer senior: Und schöne Leut
Fritz: Sie schauen wirklich so ein gan
nicht in einer Tanzschule war? Acht Jahre
hab' soeben die Entdeckung gemacht, daß der kommen her! — Und noble Leut'! —
kleines bißchen leidend aus.
Karneval längst vorbei ist. Es ist Frühling. Fritz und Theodor (zwei elegante jung=
mindestens.
Christine: Ah, ich bin immer blaß.
Theodor: Das ist sehr unrecht. Da hast
Fritz: Eigentlich ist das sonderbar. Vor man hält's im Winterrock nicht mehr aus Leute, treten eben aus dem Stiegenhaus in
übermorgen gehn wir mit dem neuen Über= die Garderobe).
du jedenfalls sehr viel versäumt.
einer Stunde bin ich noch spazieren gegangen
habe überhaupt nicht daher wollen, hab' keine zieher spazieren, Veigerln im Knopfloch, und
Fritz (lächelnd): Na...
Döselmeyer junior (geht ihnen ent¬
heut' in vierzehn Tagen ist das erste Rennen
Ahnung gehabt, daß Sie existieren.