Wien, Freitag
ardis. Hören Sie... hörst du das Klavier?
insky. Eine Saite ist zerrissen.
ardis. Jetzt kommt die Stelle. Immer wenn
kommt, ist ein Loch in der Melodie.
insky. Wie eine Zahnlücke in einem grinsenden
das Schlimmste ist dieser Parsümgeruch. Er dring
Mauern. Er ist alt und gifig.
tardis (die ihn beim Gehen zum Alkoven stützt)
werden Türen auf= und zugemacht.
insky. Du zitterst, Natascha. Du Zitterst ja
Leib, Lukardis
ardis. An der Wand dort raschelt es. Hinter
Was raschelt denn?
linsky (zwischen Fieber und leichter Trunken-
hast du nun deine wirkliche Welt Gefällt sie dir?
ernis kupplerisch, die Helligkeit betrügerisch. Was
hüllt gewesen, schamlos vor dir, kein Geheimnis
t lockt dich noch was am Geheimnis? Was will
räumen, wenn du diese Nacht hinter dir hast?
antasie wird wie ein rostiger Ring sein, aus dem
are Stein herausgefallen ist. Hör nur, wie sie toben,
nicht, ist's links oder rechts, ober oder unter uns
das Leben, Natascha! das sind alles Menschen
Glaubst du mir nicht?
kardis. Es ist Zeit, den Verband zu erneuern.
hin, du mußt schlafen...
dinsky. Steht nicht jemand vor der Tür? Haft
lachen gehört? Ohne Morphium werd ich nicht
können. Und solang du wach bist, nehm ich kein
Vorhang.
Durchlauf neue Gedichte.
Von Franz Werfel.
Im Kaffeehaus zu Kairo.
den Wolken meiner Wasserpfeife
mt die Knospe aller Zeit zur Reife
Ruhe nenn ich Gott zum Ruhme
Bergängnis windgeschützte Blume
hte Wichtigkeiten, Pflichtigheiten
im Lärm und Straßenstaub vergleiten
vom Planen, Heischen, Unternehmen
ibt im Herzen nur ein leichtes Schämen
gedankenlos durch Schattenscharten
hert Tag mir vom Gezirah=Garten.
tentönig näselnd hält durchdrungen
gende Befriedigung die Lungen.
geschieht es, — Ohnmacht löst die Sinne.
ich tiefer meiner werde inne,
daß ich schon bei der zweiten Pfeife
nen Mundvoll Ewigkeit begreife.
Im Tiergarten von Kauro.
(Pragment.)
askenverleihung! Ich kann sie nicht fassen,
öfig und Weiher, auf Felsen und Daum.
das watschelt und trippelt, dahinhuscht und ruht!
Milpferde schlafende Riesenmassen,
und wie aufgeworfener Schlamm.
doch, auch in ihnen rollt rotes Blut
Seelen sind zum Fasching befohlen,
kistellen Hyäne und Schwan,
in Pelz-, in Federkostümen zu wohnen.
Neue Freie Presse
Manchmal erstarren sie wie verstohlen,
Und man sieht den traurigen Tier=Personen
Staunen, Schreck und Verstimmung an.
Der Marabu senkt seinen Schnabel zur Erde
Wie einer, den die Sonne verlacht
Das Lama ziert sich in seiner Wolle.
Als wollt es gestehn mit verschämter Gebärde.
Daß es für den Maskenball diese Rolle
Und seine Verkleidung nicht ausgedacht
Ins Weite schreiten beleidigte Reiher
Flamingshälse wie Wettersahnen
Drehn sich nervös auf sumpfiger Flut.
Der Pelikan scheint das Geheimnis zu ahnen
Nur ein unversöhnlicher Gänjegeier
Hütet sein Fleischstück wie Kohlengluk
Das Känguruh sieht seine Vorderpfoten
Und findet sie krüppelhaft sinnlos verkürzt
Ja selbst hinter zierlich erzwitscherndem Gitter
Ist das dottergoldene Vogelgezitter
Mit tausend fragend zersplitterten Noten
Wie vor Gewittern seltsam bestürzt.
Wird endlich der kleine Kopf der Giraffen
Im oberen Laub der Akazie landen
Leise geniert im blättrigen Dunst?
Ach, einzig die alten Gaukler, die Affen,
Sind mit sich selber tief einverstanden,
Diese Herzen voll Lüge, Wahnsinn und Kunst
Der kranke alte Mann.
Der alte Herr, der täglich mir begegnet,
Wird immer müder. Selbst im Sonnenschein
Stellt er den Kragen auf, wie wenn es regnet.
Alltäglich schmilzt sein Antlitz kleiner ein
Und tropft wie Totenwachs in sich zusammen
In wenig Tagen wird es nicht mehr sein.
Die Krallenhändchen einen Schirm umklammern,
Der Rock umschlottert leerer stets die Brust,
Indes die Augen immer voller flammen
Oh Augen, wessen seid ihr euch bewußt,
Daß ihr ein Lächeln noch könnt zubereiten.
Da eure Höhlen schon der Tod berußt?
Mit Gier erforsch ich die Durchsichtigkeiten
Des Angesichtes und die süße Kraft,
Die mich durch seine Scheibe trifft vom Weiten
Ist Sterben eine wehe Wissenschaft.
Ist es ein Ausflug nur in leere Hage
Wo man im Gras liegt, traum- und pflanzenhaft?
Lähmt dich die Angst nicht vor dem letzten Tage.. 7
Oh alter Herr, wie du dich jetzt entfernst,
Antwortet mir dein Gang aus jede Frage:
Was fürchtet ihr? Es ist nicht halb so ernst
Elegie der Schöpfungsliebe.
Wer liebt nicht, wenn der Himmel tiefblau ist, die Menschen?
Alles sonnt sich an allen Ufern,
In allen Augen flutet und ebbt das Meer
Sie stoßen die Boote ins Wasser, Knaben schreien
Ein uralter Fischer sammelt das Netzgarn auf
Seine unermüdlichen Kiefer kauen emsig den Frühling
Dort eine Kranke schleicht, auch sie vergoldet.
Und all die Gestalten der eitel schreitenden Frauen
Umfängt unsre tiefe, wunschlose Freude.
Nr. 24168
25. Dezember 1931
So vielleicht lieben uns die Engel, so die Dämonen,
Die nicht einbezogen sind in das Spiel.
Sie sehn das farbenselige Verwesen
Und das Licht, das im Herzen der Fäulnis brennt.
Da faßt die Engel ein staunendes, ein entzücktes Erbarmen,
Ein Schauer aufschluchzender Heiterkeit...
Und vielleicht ist diese leichte vergleitende Nührung
Der hochgerühmte Lobgesang des Himmels.
Flucht des Werkes.
Es ist ein großer Widerstand
In allem Werk.
Ihr wißt es ja: Kein Werk will werden
So weigerte der Gotteshand
Sich auch die Welt.
Ungern entstanden Stern und Erden.
Die Schöpfung schlief in warmen Decken
Und wehrte sich, das müde Kind,
Als Gott hereinkam, es zu wecken.
Auch was wir bilden und ersinnen,
Will durch die Finger unsrer Hand,
Der bastelnden, geschwind entrinnen
„Timons Glück und
Untergang.
Zwölf Szenen von Ferdinand Bruckner.
Wir veröffentlichen im nachstehenden den zweiten Akt des
demnächst im Burgtheater zur Uraufführung gelangenden
neuen Schauspiels „Timons Glück und Unter-
gang“ von Ferdinand Bruckner, einem der führenden
modernen deutschen Dramatiker, Dichter der „Verbrecher
und der „Elisabeth von England“. Das Schauspiel Bruckners
das sich, wie seine meisten Dramen, in Bildern aufbaut, hat
mit dem Trauerspiel Shakespeares, das in düsteren Farber
das Schicksal des verschwenderischen, in seiner Armut durch
seine Freunde bald enttäuschten Timon von Athen schildert,
nur die Umrisse des Geschehens gemeinsam. Im Gegensatz
zu dem figurenreichen Drama Shakespeares geht bei Bruckner
die Handlung nur zwischen sieben Personen vor sich: Timon,
Alkidiades, Lykos, dem reichsten, Simonides, Kairon,
angesehenen Männern der Stadt, Myrthis, der jungen
schönen Geliebten des Alkibiades, und Nikiäs, Timons ge¬
treuem Verwalter. Timon ist in der Auffassung Bruckners
ganz modern gedacht — ein philosophischer Kopf, leiden
schaftlicher Bejaher des Lebens und seiner wirklichen geistigen
Güter, Feind des Krieges und der Politik. Im ersten Akt
des Werkes, das zur Zeit des siegreichen Alexanderzuges
vor sich geht, lernt man im Gespräch mit Alkibiades und
beim Gastmahl den siebenundvierzigjährigen, als überreich
geltenden Timon kennen, den Kunst= und Schönheitsfreund
der das Odeon auf seine Kosten bauen läßt, aber eine
Truppenausrüstung verweigert. Am Schluß des Gastmahls
erfährt man, daß er durch seine Sorglosigkeit verarmt, zu-
grunde gegangen, ein Bettler geworden ist...
Zweiter Akt.
Szene 4. Bei Kairon. (Timon, Kairon.)
Timon. Ich bin nicht hergekommen, um mein Lob
zu hören.
Kairon. Aber es gebührt dir gerade aus meinem
Munde
Timon. Laß es uns rasch erledigen, Kairon.
Kairon (immer vorsichtig). Aus dem Munde eines
Generalsteuereinnehmers, der sich sonst berufsmäßig jedes
Ein Aufschluchzen lang
Diese Ahnung des bunt umzauberten Sinnes
Ein staunendes, ein entzücktes Erbarmen
Mit unserer ganz kurzen Welt!
Sie verteidigte sich außerordentlich geschickt gegen den ihr
vorbei an der hofknixenden Bedienerin, vorbei on Mattachich
betrachtete diesen Menschen, der während der letzten
zugemuteten Schwachsinn. „Man hat den Leuten vorgeschwin
der sich wie ein Zeremonienmeister tief verbeugte.
je, nur die eine Woche gerechnet, mehr erlebt hat
delt, ich sei schwachsinnig, weil ich hundertzwanzig Paar
Da ich nicht wußte, wie ich mich in dieser Operetten¬
lose in ihrem ganzen Dasein. Nichts ist ihm an¬
Schuhe und über hundert Kleider in meiner Garderobekammer
szene zu benehmen hatte, blieb ich, wo ich war, an dem Tisch,
n. Seine zugeschlossene Miene läßt kaum eine leise
hatte. Man soll die Garderobekammern der anderen Prin¬
um den sich einige Fauteuils gruppierten.
er ausgestandenen Gefahren, keine Spur des Glückes
zessinnen, der amerikanischen Millionärinnen revidieren
Die Prinzessin, während die Bedienerin die Flügel
s heißersehnte, endlich erreichte Ziel merken.
Vielleicht besaß ich ein wenig mehr, viel war es gewiß nicht
türen von innen zugeschlossen hatte, segelte, mit dem Kur
ir gehen in das nahe Hotel Mirabeau. Das war
Und sicher besitzen andere Damen meines Ranges und
auf mich, sacht immer näher. Sie erhob ihre Hand bis nah=
ein altes, kleines und dürftiges Haus in der Ru=
meines Reichtums mehr, wie ich besaß. Schwachsinn!“ Sie
an mein Gesicht, und ich küßte diese Hand
Baix, war mit seiner Bescheidenheit sehr weit entfern
lachte ironisch. „Das kann man kleinen Reportern einreden
Länger als eine Woche verbrachte ich jeden Vormittag
ner heutigen Eleganz.
Die schreiben ja, wenn ein Defraudant erwischt oder ein
bei ihr, denn diese Frau hatte ein übervolles Herz auszu¬
ne steile Treppe führt in den ersten Stock, direkt
Bankrotteur vor Gericht gestellt wird: „Er hat schon immer
schütten. Jedesmal vollzog sich ihr Einzug unter dem gleichen
ppartement der Prinzessin. Wir sind in einem alt
ein luxuriöses Leben geführt!“ Und wie sicht das luxuriöse
Zeremoniell. Immer trug sie denselben abgenützten Schlaf
en Salon, der durch seine kraftlos gewordene Be¬
Leben aus? Dreizimmerwohnung, Besuch von Theater und
roch und immer stand Mattachich aufrecht und regungslos
g um Pracht und Noblesse nur einen noch tristeren
Rennplatz. So stellen sich diese Leute ein luxuriöses Leben
hinter dem Fauteuil der Prinzessin. Ich habe ihn in ihrer
geren Eindruck weckt.
vor!“ Mit einer unsäglich geringschätzigen Haudbewegung
Gegenwart kein einziges Mal sitzen gesehen.
attachich verneigt sich vor mir, so förmlich wie nie=
wies sie dabei nach unten, wie zu einer fernen Welt. über
Die Frau, der ich mich nun gegenüber befand, war sehr
zeremoniell wie nie: „Einen Augenblick, bitte...
die sie sich hoch erhaben fühlte. „Schwachsinn wegen hundert
gealtert und sichtlich vom Unglück gezeichnet. Durch ih
ab ins Nebenzimmer.
Toiletten! Das schwätzen diese armseligen Reporter den
reiches, blondes Haar spannen viele, vielen graue Fäden. Das
Nach wenigen Minuten öffnet eine Frau, die wie ein
kleinbürgerlichen Frauen vor, und dann heißt es natürlich
Antlitz der Prinzessin erschien bleich, ihr Teint war unrein
Bedienerin aussieht, ganz weit beide Flügel der Tür=
diese Prinzessin ist verrückt, die gehört ins Narrenhaus!
und in ihren Augen wohnte großes Müdesein.
nkt dann in einem tiefen Hofknix zusammen
Den nächsten Tag redete sie vom Wiener Hof. Sie
Sogleich fing sie mit dem Prozeß Mattachich an. Als
ist eine Person mittleren Alters, weder hübsch, not
geriet in Flammen. Es gab vom Kaiser Franz Josef an kein
setze unsere Unterredung nur eine lange Reihe vorher
ich reizvoll. Mattachich erzählte mir später, sie sei die
Mitglied der Dynastie, auf dessen Haupt ihr Zorn, ihre Wut
gegangener Gespräche fort, war sie mit den ersten Worten
seines Kerkermeisters gewesen, habe ihm manches
ihr blutiger Schimpf sich nicht entladen hätte. Das zischte,
tief im Zentrum der Sache. Sie legte ausdrücklich und klar
im Zuchthaus erleichtert, sei ihm dann in die Freihen
prasselte und knallte nur so. Als ich fragte: „Und Ihr
Zeugenschaft ab für Mattachich. Er hatte keinen Wechse
und diene jetzt der Prinzessin. Diese Frau gehörte
Vater?“ hob Mattachich hinter ihr beschwörend die Hände
gefälscht. Es gab keinen Wechsel zu fälschen. Und er wäre
r zu den vielen Geheimnissen, die es im Leben
zu mir auf. Aber es war schon gesagt. So fuhr ich fort: „Ihr
der letzte, der dazu fähig sein könnte. Sie sprach von ihm
hich' gegeben hat. Er hat nicht mehr von ihr ge¬
Vater, Hoheit, ist der einzige, gegen den Sie nichts sagen.
der stramm wie ein Diener hinter ihr stand, als sei er gar
n und ich habe nichts weiter gefragt. Irgendwelche
Und doch hat er sich Ihrer nicht angenommen, hat Ihre
nicht da. Schilderte ihn als vollendeten Kavalier. Er war es
e Zusammenhänge hielt ich, wenn auch nicht für aus-
Schwester vom Sarg der Mutter wegjagen lassen.“ Sie sal
der ganz uneigennützig Geldopfer gebracht hatte. Die Hotel
sen, so doch keineswegs für jedenfalls anzunehmen
mich mit plötzlich nassen Augen an. „Mein Vater“, ant¬
rechnung zum Beispiel, damals an der Riviera, zwanzig¬
chich war eben ein Mann, dem sich die unbedingte
wortete sie, „ist ein großer und weiser König! Ich an seiner
tausend Francs, sei sie ihm heute noch schuldig. Sie trat jetzt
be wie die demütige Ergebenheit solch einfacher und
Stelle hätte nicht anders gehandelt!
zuerst und vor allem für ihn ein, genau wie Mattachich bei
er Einfachheit oft rätselhafter Naturen zuwandte.
Merkwürdig war diese Frau. Von einem stärken
mir zuerst und vor allem von ihr gesprochen hatte.
Die Frau also versank an einem der beiden Türflüge
stolzen Bewußtsein threr Abkunft und ihrer Stellung erfüllt.
Dann am anderen Tag kam die Rede auf ihr eigenes
em Hofknix. Jetzt erschien Mattachich, ging feierlichen
Außerordentlich klug und zugleich vollständig weltfremd. In
Schicksal. Sie wurde von dem heftigsten Zorn befallen, als
es bis zur Mitte des Salons, stand still und ver
allen menschlichen Angelegenheiten zeigte sie scharfes
sie die Stunde, den Ort und die Umstände ihrer Festnahme
e: „Ihre königliche Hoheit, die durchlauchtigste Frau
unbarmherziges Beobachten, den praktischen Dingen, ins-
schilderte. Ihre Schilderung klang so plastisch, als wäre ihr
sin Louise von Koburg=Belgien!" Dann nahm er
besondere dem Geld gegenüber, blieb sie total ahnungslos.
das gestern oder vorgestern passiert und nicht vor sieben
tellung im Profil zur weitgeöffneten Tür.
Sie war kühl und dennoch leidenschaftlich, besaß eine enorme
Jahren. Trotzdem konnte man sich nicht darüber wundern
Und nun kam Louise. Umhüllt von einem husaren¬
Willenskraft, sich zu verstellen und zurückzuhalten, bis ein
Diese Frau hatte sieben Jahre lang schweigen müssen. Wenn
ein wenig mit Cremespitzen besetzten Schlafrock, der
sie jetzt sprach, wußte sie, daß ihre Worte von der breitesten I Moment kam, da sie alle Hemmungen zu verlieren schien
mehr ganz sauber war, aber eine mächtige Schleppe
und in jähem Aufbrausen ohne Besinnen mit fortgerissen
sich herzog. Langsam und feierlich kam sie herein, Oeffentlichkeit vernommen würden.
ardis. Hören Sie... hörst du das Klavier?
insky. Eine Saite ist zerrissen.
ardis. Jetzt kommt die Stelle. Immer wenn
kommt, ist ein Loch in der Melodie.
insky. Wie eine Zahnlücke in einem grinsenden
das Schlimmste ist dieser Parsümgeruch. Er dring
Mauern. Er ist alt und gifig.
tardis (die ihn beim Gehen zum Alkoven stützt)
werden Türen auf= und zugemacht.
insky. Du zitterst, Natascha. Du Zitterst ja
Leib, Lukardis
ardis. An der Wand dort raschelt es. Hinter
Was raschelt denn?
linsky (zwischen Fieber und leichter Trunken-
hast du nun deine wirkliche Welt Gefällt sie dir?
ernis kupplerisch, die Helligkeit betrügerisch. Was
hüllt gewesen, schamlos vor dir, kein Geheimnis
t lockt dich noch was am Geheimnis? Was will
räumen, wenn du diese Nacht hinter dir hast?
antasie wird wie ein rostiger Ring sein, aus dem
are Stein herausgefallen ist. Hör nur, wie sie toben,
nicht, ist's links oder rechts, ober oder unter uns
das Leben, Natascha! das sind alles Menschen
Glaubst du mir nicht?
kardis. Es ist Zeit, den Verband zu erneuern.
hin, du mußt schlafen...
dinsky. Steht nicht jemand vor der Tür? Haft
lachen gehört? Ohne Morphium werd ich nicht
können. Und solang du wach bist, nehm ich kein
Vorhang.
Durchlauf neue Gedichte.
Von Franz Werfel.
Im Kaffeehaus zu Kairo.
den Wolken meiner Wasserpfeife
mt die Knospe aller Zeit zur Reife
Ruhe nenn ich Gott zum Ruhme
Bergängnis windgeschützte Blume
hte Wichtigkeiten, Pflichtigheiten
im Lärm und Straßenstaub vergleiten
vom Planen, Heischen, Unternehmen
ibt im Herzen nur ein leichtes Schämen
gedankenlos durch Schattenscharten
hert Tag mir vom Gezirah=Garten.
tentönig näselnd hält durchdrungen
gende Befriedigung die Lungen.
geschieht es, — Ohnmacht löst die Sinne.
ich tiefer meiner werde inne,
daß ich schon bei der zweiten Pfeife
nen Mundvoll Ewigkeit begreife.
Im Tiergarten von Kauro.
(Pragment.)
askenverleihung! Ich kann sie nicht fassen,
öfig und Weiher, auf Felsen und Daum.
das watschelt und trippelt, dahinhuscht und ruht!
Milpferde schlafende Riesenmassen,
und wie aufgeworfener Schlamm.
doch, auch in ihnen rollt rotes Blut
Seelen sind zum Fasching befohlen,
kistellen Hyäne und Schwan,
in Pelz-, in Federkostümen zu wohnen.
Neue Freie Presse
Manchmal erstarren sie wie verstohlen,
Und man sieht den traurigen Tier=Personen
Staunen, Schreck und Verstimmung an.
Der Marabu senkt seinen Schnabel zur Erde
Wie einer, den die Sonne verlacht
Das Lama ziert sich in seiner Wolle.
Als wollt es gestehn mit verschämter Gebärde.
Daß es für den Maskenball diese Rolle
Und seine Verkleidung nicht ausgedacht
Ins Weite schreiten beleidigte Reiher
Flamingshälse wie Wettersahnen
Drehn sich nervös auf sumpfiger Flut.
Der Pelikan scheint das Geheimnis zu ahnen
Nur ein unversöhnlicher Gänjegeier
Hütet sein Fleischstück wie Kohlengluk
Das Känguruh sieht seine Vorderpfoten
Und findet sie krüppelhaft sinnlos verkürzt
Ja selbst hinter zierlich erzwitscherndem Gitter
Ist das dottergoldene Vogelgezitter
Mit tausend fragend zersplitterten Noten
Wie vor Gewittern seltsam bestürzt.
Wird endlich der kleine Kopf der Giraffen
Im oberen Laub der Akazie landen
Leise geniert im blättrigen Dunst?
Ach, einzig die alten Gaukler, die Affen,
Sind mit sich selber tief einverstanden,
Diese Herzen voll Lüge, Wahnsinn und Kunst
Der kranke alte Mann.
Der alte Herr, der täglich mir begegnet,
Wird immer müder. Selbst im Sonnenschein
Stellt er den Kragen auf, wie wenn es regnet.
Alltäglich schmilzt sein Antlitz kleiner ein
Und tropft wie Totenwachs in sich zusammen
In wenig Tagen wird es nicht mehr sein.
Die Krallenhändchen einen Schirm umklammern,
Der Rock umschlottert leerer stets die Brust,
Indes die Augen immer voller flammen
Oh Augen, wessen seid ihr euch bewußt,
Daß ihr ein Lächeln noch könnt zubereiten.
Da eure Höhlen schon der Tod berußt?
Mit Gier erforsch ich die Durchsichtigkeiten
Des Angesichtes und die süße Kraft,
Die mich durch seine Scheibe trifft vom Weiten
Ist Sterben eine wehe Wissenschaft.
Ist es ein Ausflug nur in leere Hage
Wo man im Gras liegt, traum- und pflanzenhaft?
Lähmt dich die Angst nicht vor dem letzten Tage.. 7
Oh alter Herr, wie du dich jetzt entfernst,
Antwortet mir dein Gang aus jede Frage:
Was fürchtet ihr? Es ist nicht halb so ernst
Elegie der Schöpfungsliebe.
Wer liebt nicht, wenn der Himmel tiefblau ist, die Menschen?
Alles sonnt sich an allen Ufern,
In allen Augen flutet und ebbt das Meer
Sie stoßen die Boote ins Wasser, Knaben schreien
Ein uralter Fischer sammelt das Netzgarn auf
Seine unermüdlichen Kiefer kauen emsig den Frühling
Dort eine Kranke schleicht, auch sie vergoldet.
Und all die Gestalten der eitel schreitenden Frauen
Umfängt unsre tiefe, wunschlose Freude.
Nr. 24168
25. Dezember 1931
So vielleicht lieben uns die Engel, so die Dämonen,
Die nicht einbezogen sind in das Spiel.
Sie sehn das farbenselige Verwesen
Und das Licht, das im Herzen der Fäulnis brennt.
Da faßt die Engel ein staunendes, ein entzücktes Erbarmen,
Ein Schauer aufschluchzender Heiterkeit...
Und vielleicht ist diese leichte vergleitende Nührung
Der hochgerühmte Lobgesang des Himmels.
Flucht des Werkes.
Es ist ein großer Widerstand
In allem Werk.
Ihr wißt es ja: Kein Werk will werden
So weigerte der Gotteshand
Sich auch die Welt.
Ungern entstanden Stern und Erden.
Die Schöpfung schlief in warmen Decken
Und wehrte sich, das müde Kind,
Als Gott hereinkam, es zu wecken.
Auch was wir bilden und ersinnen,
Will durch die Finger unsrer Hand,
Der bastelnden, geschwind entrinnen
„Timons Glück und
Untergang.
Zwölf Szenen von Ferdinand Bruckner.
Wir veröffentlichen im nachstehenden den zweiten Akt des
demnächst im Burgtheater zur Uraufführung gelangenden
neuen Schauspiels „Timons Glück und Unter-
gang“ von Ferdinand Bruckner, einem der führenden
modernen deutschen Dramatiker, Dichter der „Verbrecher
und der „Elisabeth von England“. Das Schauspiel Bruckners
das sich, wie seine meisten Dramen, in Bildern aufbaut, hat
mit dem Trauerspiel Shakespeares, das in düsteren Farber
das Schicksal des verschwenderischen, in seiner Armut durch
seine Freunde bald enttäuschten Timon von Athen schildert,
nur die Umrisse des Geschehens gemeinsam. Im Gegensatz
zu dem figurenreichen Drama Shakespeares geht bei Bruckner
die Handlung nur zwischen sieben Personen vor sich: Timon,
Alkidiades, Lykos, dem reichsten, Simonides, Kairon,
angesehenen Männern der Stadt, Myrthis, der jungen
schönen Geliebten des Alkibiades, und Nikiäs, Timons ge¬
treuem Verwalter. Timon ist in der Auffassung Bruckners
ganz modern gedacht — ein philosophischer Kopf, leiden
schaftlicher Bejaher des Lebens und seiner wirklichen geistigen
Güter, Feind des Krieges und der Politik. Im ersten Akt
des Werkes, das zur Zeit des siegreichen Alexanderzuges
vor sich geht, lernt man im Gespräch mit Alkibiades und
beim Gastmahl den siebenundvierzigjährigen, als überreich
geltenden Timon kennen, den Kunst= und Schönheitsfreund
der das Odeon auf seine Kosten bauen läßt, aber eine
Truppenausrüstung verweigert. Am Schluß des Gastmahls
erfährt man, daß er durch seine Sorglosigkeit verarmt, zu-
grunde gegangen, ein Bettler geworden ist...
Zweiter Akt.
Szene 4. Bei Kairon. (Timon, Kairon.)
Timon. Ich bin nicht hergekommen, um mein Lob
zu hören.
Kairon. Aber es gebührt dir gerade aus meinem
Munde
Timon. Laß es uns rasch erledigen, Kairon.
Kairon (immer vorsichtig). Aus dem Munde eines
Generalsteuereinnehmers, der sich sonst berufsmäßig jedes
Ein Aufschluchzen lang
Diese Ahnung des bunt umzauberten Sinnes
Ein staunendes, ein entzücktes Erbarmen
Mit unserer ganz kurzen Welt!
Sie verteidigte sich außerordentlich geschickt gegen den ihr
vorbei an der hofknixenden Bedienerin, vorbei on Mattachich
betrachtete diesen Menschen, der während der letzten
zugemuteten Schwachsinn. „Man hat den Leuten vorgeschwin
der sich wie ein Zeremonienmeister tief verbeugte.
je, nur die eine Woche gerechnet, mehr erlebt hat
delt, ich sei schwachsinnig, weil ich hundertzwanzig Paar
Da ich nicht wußte, wie ich mich in dieser Operetten¬
lose in ihrem ganzen Dasein. Nichts ist ihm an¬
Schuhe und über hundert Kleider in meiner Garderobekammer
szene zu benehmen hatte, blieb ich, wo ich war, an dem Tisch,
n. Seine zugeschlossene Miene läßt kaum eine leise
hatte. Man soll die Garderobekammern der anderen Prin¬
um den sich einige Fauteuils gruppierten.
er ausgestandenen Gefahren, keine Spur des Glückes
zessinnen, der amerikanischen Millionärinnen revidieren
Die Prinzessin, während die Bedienerin die Flügel
s heißersehnte, endlich erreichte Ziel merken.
Vielleicht besaß ich ein wenig mehr, viel war es gewiß nicht
türen von innen zugeschlossen hatte, segelte, mit dem Kur
ir gehen in das nahe Hotel Mirabeau. Das war
Und sicher besitzen andere Damen meines Ranges und
auf mich, sacht immer näher. Sie erhob ihre Hand bis nah=
ein altes, kleines und dürftiges Haus in der Ru=
meines Reichtums mehr, wie ich besaß. Schwachsinn!“ Sie
an mein Gesicht, und ich küßte diese Hand
Baix, war mit seiner Bescheidenheit sehr weit entfern
lachte ironisch. „Das kann man kleinen Reportern einreden
Länger als eine Woche verbrachte ich jeden Vormittag
ner heutigen Eleganz.
Die schreiben ja, wenn ein Defraudant erwischt oder ein
bei ihr, denn diese Frau hatte ein übervolles Herz auszu¬
ne steile Treppe führt in den ersten Stock, direkt
Bankrotteur vor Gericht gestellt wird: „Er hat schon immer
schütten. Jedesmal vollzog sich ihr Einzug unter dem gleichen
ppartement der Prinzessin. Wir sind in einem alt
ein luxuriöses Leben geführt!“ Und wie sicht das luxuriöse
Zeremoniell. Immer trug sie denselben abgenützten Schlaf
en Salon, der durch seine kraftlos gewordene Be¬
Leben aus? Dreizimmerwohnung, Besuch von Theater und
roch und immer stand Mattachich aufrecht und regungslos
g um Pracht und Noblesse nur einen noch tristeren
Rennplatz. So stellen sich diese Leute ein luxuriöses Leben
hinter dem Fauteuil der Prinzessin. Ich habe ihn in ihrer
geren Eindruck weckt.
vor!“ Mit einer unsäglich geringschätzigen Haudbewegung
Gegenwart kein einziges Mal sitzen gesehen.
attachich verneigt sich vor mir, so förmlich wie nie=
wies sie dabei nach unten, wie zu einer fernen Welt. über
Die Frau, der ich mich nun gegenüber befand, war sehr
zeremoniell wie nie: „Einen Augenblick, bitte...
die sie sich hoch erhaben fühlte. „Schwachsinn wegen hundert
gealtert und sichtlich vom Unglück gezeichnet. Durch ih
ab ins Nebenzimmer.
Toiletten! Das schwätzen diese armseligen Reporter den
reiches, blondes Haar spannen viele, vielen graue Fäden. Das
Nach wenigen Minuten öffnet eine Frau, die wie ein
kleinbürgerlichen Frauen vor, und dann heißt es natürlich
Antlitz der Prinzessin erschien bleich, ihr Teint war unrein
Bedienerin aussieht, ganz weit beide Flügel der Tür=
diese Prinzessin ist verrückt, die gehört ins Narrenhaus!
und in ihren Augen wohnte großes Müdesein.
nkt dann in einem tiefen Hofknix zusammen
Den nächsten Tag redete sie vom Wiener Hof. Sie
Sogleich fing sie mit dem Prozeß Mattachich an. Als
ist eine Person mittleren Alters, weder hübsch, not
geriet in Flammen. Es gab vom Kaiser Franz Josef an kein
setze unsere Unterredung nur eine lange Reihe vorher
ich reizvoll. Mattachich erzählte mir später, sie sei die
Mitglied der Dynastie, auf dessen Haupt ihr Zorn, ihre Wut
gegangener Gespräche fort, war sie mit den ersten Worten
seines Kerkermeisters gewesen, habe ihm manches
ihr blutiger Schimpf sich nicht entladen hätte. Das zischte,
tief im Zentrum der Sache. Sie legte ausdrücklich und klar
im Zuchthaus erleichtert, sei ihm dann in die Freihen
prasselte und knallte nur so. Als ich fragte: „Und Ihr
Zeugenschaft ab für Mattachich. Er hatte keinen Wechse
und diene jetzt der Prinzessin. Diese Frau gehörte
Vater?“ hob Mattachich hinter ihr beschwörend die Hände
gefälscht. Es gab keinen Wechsel zu fälschen. Und er wäre
r zu den vielen Geheimnissen, die es im Leben
zu mir auf. Aber es war schon gesagt. So fuhr ich fort: „Ihr
der letzte, der dazu fähig sein könnte. Sie sprach von ihm
hich' gegeben hat. Er hat nicht mehr von ihr ge¬
Vater, Hoheit, ist der einzige, gegen den Sie nichts sagen.
der stramm wie ein Diener hinter ihr stand, als sei er gar
n und ich habe nichts weiter gefragt. Irgendwelche
Und doch hat er sich Ihrer nicht angenommen, hat Ihre
nicht da. Schilderte ihn als vollendeten Kavalier. Er war es
e Zusammenhänge hielt ich, wenn auch nicht für aus-
Schwester vom Sarg der Mutter wegjagen lassen.“ Sie sal
der ganz uneigennützig Geldopfer gebracht hatte. Die Hotel
sen, so doch keineswegs für jedenfalls anzunehmen
mich mit plötzlich nassen Augen an. „Mein Vater“, ant¬
rechnung zum Beispiel, damals an der Riviera, zwanzig¬
chich war eben ein Mann, dem sich die unbedingte
wortete sie, „ist ein großer und weiser König! Ich an seiner
tausend Francs, sei sie ihm heute noch schuldig. Sie trat jetzt
be wie die demütige Ergebenheit solch einfacher und
Stelle hätte nicht anders gehandelt!
zuerst und vor allem für ihn ein, genau wie Mattachich bei
er Einfachheit oft rätselhafter Naturen zuwandte.
Merkwürdig war diese Frau. Von einem stärken
mir zuerst und vor allem von ihr gesprochen hatte.
Die Frau also versank an einem der beiden Türflüge
stolzen Bewußtsein threr Abkunft und ihrer Stellung erfüllt.
Dann am anderen Tag kam die Rede auf ihr eigenes
em Hofknix. Jetzt erschien Mattachich, ging feierlichen
Außerordentlich klug und zugleich vollständig weltfremd. In
Schicksal. Sie wurde von dem heftigsten Zorn befallen, als
es bis zur Mitte des Salons, stand still und ver
allen menschlichen Angelegenheiten zeigte sie scharfes
sie die Stunde, den Ort und die Umstände ihrer Festnahme
e: „Ihre königliche Hoheit, die durchlauchtigste Frau
unbarmherziges Beobachten, den praktischen Dingen, ins-
schilderte. Ihre Schilderung klang so plastisch, als wäre ihr
sin Louise von Koburg=Belgien!" Dann nahm er
besondere dem Geld gegenüber, blieb sie total ahnungslos.
das gestern oder vorgestern passiert und nicht vor sieben
tellung im Profil zur weitgeöffneten Tür.
Sie war kühl und dennoch leidenschaftlich, besaß eine enorme
Jahren. Trotzdem konnte man sich nicht darüber wundern
Und nun kam Louise. Umhüllt von einem husaren¬
Willenskraft, sich zu verstellen und zurückzuhalten, bis ein
Diese Frau hatte sieben Jahre lang schweigen müssen. Wenn
ein wenig mit Cremespitzen besetzten Schlafrock, der
sie jetzt sprach, wußte sie, daß ihre Worte von der breitesten I Moment kam, da sie alle Hemmungen zu verlieren schien
mehr ganz sauber war, aber eine mächtige Schleppe
und in jähem Aufbrausen ohne Besinnen mit fortgerissen
sich herzog. Langsam und feierlich kam sie herein, Oeffentlichkeit vernommen würden.