A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 66

Die Komödie „Zwischenspiel“, das Gegenstück zu Hermann Bahrs „Konzert",
wie mir scheint, ist glaubenslos, hoffnungslos, deswegen auch lieblos.
Johannes Mumbauer meint einmal, es sei schon ein starkes Stück, die Ver-
körperung des brutalsten Nihilismus eine, Komödie zu nennen:,menschliche
Jammerspiel sollte sie heissen.
Der Komponist Amadeus Adams hat die Opernsängerin Cäcilie geheira-
tet; er hat von ihr einen fünfjährigen Buben. Beide Ehegatten haben es
sich zur Aufgabe gemacht, immer ganz wahr gegeneinander zu sein. Das Kind
vermag sie nicht zu binden, die Liebe schwindet und Cäcilie wendet sich
Fürst Sigismund zu, während Amadeus mit der Gräfin Moosheim ein Verhältnis
anfängt. Nun beschliessen beide (Cäcilie u. Amadeus), Freunde zu sein.
Als sie sich wiedersehen, wird aus der Freundschaft die alte sinnliche
Liebe. Ein "Zwischenspiel" ist die Wahrheit, die Wahrhaftigkeit; und das Ve¬
Verhältnis der Menschen untereinander ein grosser Schwindel; so und nicht
anders muss das Resultat lauten. Das Fazit ist also im grossen und ganzer
eine Banalität. Dessen ungeachtet erfühlen wir, dass das zwischenspiel
Hebbelsche Töne anschlägt. Es wirft die Frage auf, wieweit der Konflickt
des Stückes einer späteren Zeit angehört noch tragisch erscheinen wird;
„Das ist ja das Charakteristischste aller Übergangsepochen, dass Verwick¬
lungen, die für die nächste Generation vielleicht gar nicht mehr existiere
werden, tragisch enden müssen, wenn ein anständiger Mensch hineingerät.
Oskar Walzel zeigt, dass hier noch unbedingter als bei Ibsen das Verhältni
von Mann und Weib im Vordergrund steht und die Fesselung des Mannes durch
das Weib. Ahnliches begegnet uns in österreichischer, speziell Wiener Dich
tung schon bei Grillparzer.
Es ist immer ein unnützes Unterfangen, den Mitmenschen durch Reden
verstehen zu lernen. Das innere Erfühlen und Erraten der geheimen Seelen-
stimmungen bedeutet letztlich zum Kennen- und Verstehenlernen alles. Da-
ran fehlt es nun im „Zwischenspiel“ vollkommen. Je offener Cäcilie und
Amadeus sein wollen, umso unwahrer sind sie; schliesslichscheiden sie
nicht, weil sie sich zu spät erkennen, sondern weil die ihre Gefühle um-
gedeutet haben, ehe sie sie aussprachen und sie sch gegenseitig Geständ-
nisse hervorloken. Man fürchtet, wahre Regungen könnten unwahr sein und
leidet lieber, als dass man die vielleicht unechten Gefühle zur Schau
stellt. So müssen die Menschen sich auseinanderreden: jeder geht für sich,
und beide möchten zusammengehn. Cäcilie sagt beim Abschied: Ja. Jetzt
haben wir eben den Lohn davon, dass wir immer ehrlich gewesen sind, Ama-
deus. Wiw müde wären andre schon in einem solchen Augenblick von aller¬
lei peinlichen Ausflüchten, mühseligen Beschwichtigungen und kläglich
süssen Versöhnungen. Wie feindselig ständen sie sich vielleicht gegenüber
in ihrer verspäteten Aufrichtigkeit. Wir zwei, Amadeus, werden doch wenig-
stens als Freunde scheiden.“ Diese Flucht vor der Verantwortung, dieses
zarte Andeuten und Ringen wie hinter Schleiern ist in höchster psychologi-
scher Feinkunst gestaltet, ist letzlich die Dekadenzstimmung das, die an
Hermann Baag und Eduard v. Keyserling gemahnt, und heute längst wieder
ferngerückt.
Die beiden Ehegatten sind auseinander gegangen, weil sie glauben,
sich nicht mehr zu lieben. Amadeus trifft sich nun oft mit der Gräfin
Friederike Moosheim. Plötzlich kommt Cäcilie zurück und beide Gatten um-
armen sich „wie zum erstenmal." Aber es ist das letzte Mal. Wir waren
weder geschaffen, uns ewig in Treue zu lieben,“ sagt Cäcilie“ noch
stark genug, um unsere F reundschaft rein zu erhalten. Andere fänden sich
ab... ich kann es nicht.“ Sie glaubt, ein solches „Zwischenspiel“ könne
immer wieder kommen und geht darum fort: Nein, ich glaub es nicht mehr
(dass sie gegeneinander wahr gewesen seien). Wenn alles andere waht gewe¬
sen ist,- dass wir beide uns so schnell darein gefunden in jener Stunde,
da du neben mir deine Leidenschaft für die Gräfin und ich dir meine Neigung
für Sigismund gestand - das ist nicht Wahrheit gewesen. Hätten wir einander