A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 65

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Keine übersteigerten Gegensätze führen Konflikt und Ende herbei, alles
ist abgedämpft, zart, rückeichtsvoll, keiner möchte dem andern auch nur
einen flüchtigen Blick in sein Inneres gestatten.
Im „Einsamen Weg“ herrscht der Eindruck eines schwermütig glühen-
den, sonnengoldenen, traubenschweren Herbsttages im Wiener Wald vor. Die
Menschenschilderung ist, echt impressionistisch, nie eine direckte. Alles
Überflüssige in der Schilderug ist ausgeschaltet und doch alles hingezei-
ohnet, was jedem Charakter seine Fülle und Problematik gibt. Seelische
Subtilitäten erfüllt Arthur Schnitzler und spricht sie aus. Stimmungs-
künstler ist und bleibt er bis ins letzte. In unserem Drama hat er Unzu-
länglichkeit und Unsicherheit jeder menschen Beziehung menschlichen Bezieh
ung ergreifend dargestellt. Das erotische Problem tritt hier weit zurück,
schimmert nur noch schwach aus der Jugendseit dieser Menschen herüber, hat
sich nun aber gewandelt und ist geadelt worden zum Problem der geistigen
und sittlichen Annäherung, dessen höchste Frucht die Liebe ist. Einfach
und ungezwungen ist die Sprache, duftend und schön. Herbststimmung auch
hier: — wenn die Wälder rot und gelb schimmern, der goldene Dunst über
den Hügeln liegt und der Mägeln liegtHimmel so fern und blass ist, als
schauerte ihn vor seiner eigenen Unendlichkeit.“ Wir finden keine beweg=
ten, von fieberstimmung des Weltgeschehens bestimmten Worte, verhalten
und gedämpft, zarte Seelenregungen aufdeckend, reiht sich Satz an Satz.
Schuldig erscheinen diese Menschen nicht, nur schwach, so schwad
dass sie nicht die Kraft haben, ihren Stimmungen und Launen zu gebieten.
Sie taumeln, Schmetterlingen gleich, die ins sangende Licht irren, durch
die Niederungen des Lebens und straucheln, jeglichen Werantwortungsgefühls
bar, über manches Felsgestein, das ihnen auf ihrem Wege aufragt. Was wir
vermissen, ist die Tatkraft und der Schwung, wie er im Grünen Kakadu
lebt, und der Mut, nach einmal die Faust zu einem befrei Gränen enden
Schlage zu erheben. Aber vergessen wir nie:Nach Dämpfung und Schonung ver-
langen alle diese Wiener Menchen; denn sie haben Nerven, und diese Nerven
vertrageh nicht den rauhen und bewegten Ton.
einer Komödie in drei Akten, verrät schon der
Im "Zwishenspiel
Titel Zurückhaltung,- Dämpfung. Die schon zitierten „Loris"- Verse in der
Einleitung des „Anatol fallen uns ein:
Also spielen wir Theater
Spielen wir Theater Spielen unsre eignen Stücke,
Frühgereift und zart und traurig.
Die Komödie unserer Seele,
Unseres Fühlens Heut und Gestern,
Die Komödie unserer Seite
Böser Dinge hübsche Formel,
Glatte Worte, bunte Bilder,
Halbes, heimliches Empfinden,
Agonien, Episoden...
Und auch das Schlusswort des „Paracelsus“ klingt an:
Es war ein Spiel! Was sollt' es anders sein?
Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben,
Und schien es noch so gross und tief zu sein
Mit wilden Söldnerscharen spielt der eine,
Ein anderer spielt mit tollen Abergläubischen.
Vielleicht mit Sonnen, Sternen irgend wer,-
Mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn
Wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.
Es fliessen ineinander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von andern, nicht von uns
Wir spielen immer, wer es weiss, ist klug.