A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 90

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Praxis hat Schnitzlers Talent, in dem vielfache Möglichkeiten zu
Ironie und Witzigkeit bereit lagen, davor bewahrt, jemals Oberflä-
chenkunst und Amusierkunst zu werden. Die Strenge der Wissenschaft
legte ihm auch Strenge des Anspruchs in der dichterischen Dar-
stellung auf.
literarische Herkunft: Vor ihm ist im literarischen
Raum Oesterreichs ein Vakuum. Grillparzer und Stifter sind gestor-
ben, die Beide klassische deutsche Tradition ins Oesterreichische
übersetzten, Grillparzer das weltbildnerische Drama Schillers,
Stifter in seinem "Nachsommer" die grosse geruhsame epische Kosmik
Goethes. Als repräsentativer Dichter gilt in Schnitzlers Jugend-
jahren Adolf Wilbrandt, aus dem Heysekreis gekommen,schönbärtig
und wie jener in pathetischen Flausch und Samtrock gehüllt; im
Burgtheater herrscht neben seiner glatten Verskunst noch Bauern-
felds gedämpfte katarrhalische Heiterkeit und vor allem die so-
genannten Comtessenstücke,fromm und sorgfältig gesüsste Prosa
und Poesie. Die amüsante, die geistreiche Form wiederlebt sich im
Feuilleton der Neuen Freien Presse mit Hanslik und G.Spitzer aus
beide sphären eigentlich noch Heinrich Heine-Welt, nur das Süsse
und Bittere, nicht mehr zu anziehendem Widerspruch gemengt, sondern
sorgfältig abgeteilt.
An diese Vorfahren schliesst sich Schnitzler nicht an. Ein
Element in ihm widerstrebt der kritischen Witzigkeit, eine Neigung
zu Ironie und Selbstbeobachtung dem Pathetischen der Burgtheater-
theatralik. Es scheint, dass er in jungem Alter statt dieser Dich-