B39: Herzl, Theodor_75 Arthur Schnitzler an Herzl, Abschrift, Seite 28

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Wien,30.Nov.94.
Lieber Freund,
ich danke ihnen sehr, dass Sie die Hovelle so bald gelesen und freue
mich, dass Sie so viel gutes darin gefunden. Ihre Einwendung gegen
den Beginn halte ich für gerechtfertigt. Mir selbst misfiel er,
nachdem ich ihn geschrieben hatte, so sehr, dass ich ein paar Wochen
aussetzte, weil sich der rechte Muth nicht zum Weiterschreiben fin-
den wollte. Erst allmählig kam ich hinein; es geht immer übrigens
fast immer so. Vor der Veröffentlichung wollte ich den Anfang -
bis zu Mariens Besuch bei Alfred exclusive - einfach wegstreichen;
aber man rieth mir ab. Sie sind der erste, der seiner Antipathie
gegen den Anfang so gründlich Ausdruck gibt - nach mir. Soweit ich
bisher urtheilen kann, hat er niemanden so empfindlich gestört wie
uns zwei. Aber ich glaube nicht, dass der Grund im "grauen, allzu
gramen" liegt. Ich habe nur hier das Grau nicht künstlerisch be-
wältigt. Der Stoff wäre ja als ganzes noch anders zu fassen gewe-
sen - wenn ich eben die ersten vier Akte zu dem fünften, der vor-
liegt, geschrieben hätte. Da wäre das Liebesbachanal, das Sie wün-
schen, im dritten gekommen. Es ist möglich, dass mir die Kraft zu
der ganzen Tragödie gefehlt hätte; die Wahrheit ist jedenfalls,
dass nur dieser fünfte Akt in meinen Absichten lag. Auch dass noch
irgendwo im Buch Längen sind, hab' ich beim Durchlesen der Correc-
turen gespürt. Was die Manier in der Naturschilderung anbelangt, so
wären mir Details erwünscht; da ich mich hier unschuldig fühle.
Ich müsste mich da an irgend ein Wollen erinnern, und ich weiss
doch, dass ich alle diese Dinge ganz einfach hinge schrieben habe,
Sagen Sie mir doch, wo Sie die Manier entdeckt haben - Ihr künstle-