B43: Hofmannsthal, Hugo von_1 an HvH, Abschrift, Seite 107

A.S. an H.v.H.
35 Wien, 16.11.1925.
Mein lieber Hugo, Ihr schönes Stück hab ich noch in
Berlin erhalten, und es ist recht unhöflich, dass ich
Ihnen nicht gleich gedankt habe. Mit ein Grund ist
gewesen, dass ich erst in den letzten Tagen dazu kam
den Calderon, der Ihnen dazu eine Anregung gab, zu
lesen, und es war mir im höchsten Grad interessant, wie
Sie
völlig neu und selbständig Ihr Drama geschrieben haben.
Nur einige äussere Momente- sind erhalten,-nicht nur
die Gestalten sind neu geschaffen,- auch das Problem,
das innere Licht ist etwas ganz neues geworden, und
völlig Ihr Bigentum. In manchen Stellen wünscht ich mir
geringere Weitläufigkeit, und der Humor des Dieners
ist nicht durchaus nach meinem Sinn, wenn ich auch fühle
sehr im Stil des ganzen.
Ich freue mich, dass Sie in der Arbeit sind; auch ich
ki bringe allerlei weiter. Eine neue Hovelle ("Traum-
novelle") erscheint bald; mein Versstück "Der Gang zum
Weiher" ist fertig; nun diktiert ich eine weitere No-
velle, deren Schluss noch unsicher ist; arbeite an ei-
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nem Roman (der richtiger eine Chronik zu nennen sein
wird); und bringen verschiedentliches aphoristische
und fragmentarisches in Ordnung so gut es geht, ja
einzelnes gewissermassen in Systeme. Theatralisch
liegt allerlei angefangenes vor,-was ich zuerst fertig
machen werde, weiss ich noch nicht. Um Ihre Ausseer
Abgeschiedenheit beneid ich Sie manchmal-weiss aber
nicht, ob ich trotz zeitweiliger Sehnsucht nachbetwas
derart lange aushalten würde. Es ist mancherlei
Unruhe in meinem Leben; im ganzen fühl ich mich wohl.
bei gelegentlichen, am häufigsten durch das Gehörlei-
den verursachten und geförderten Depressionen.
Ich hoffe Sie bald wiederzusehen.
Seien Sie von Herzen gegrüsst und bedankt.
Ihr
seron