B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 201

Berlin, 27.9.1905.
Lieber Freund,
besten Dank für den „Ruf des Lebens“; ich habe erst den
3. Akt und dann das Ganze noch einmal gelesen und mich
in den stilleren Gang des Neuen nicht ohne einen gewisen
Ruck und Zwang gefunden. Sie fragten mich s.Zt., wie
ich mir den 3.Akt dächte,und ich antworte nun: beengter,
mehr aktiv was die Marie anlangt, dem Stil des 1. und
besonders des 2.Aktes in der Hast und dem Drang des
Vortrages näher. Ist man erst über dies Bedenken weg,
so wird man die Schönheiten und Weinheiten auch dieser
Scenen dankbar empfinden, unter denen die (mehr episodi-
sche) der Katharina die frappanteste und zwingendste
ist. Jedenfalls trifft der Vorwurf des Novellistischen
den Sie sich machten, hier am ehesten zu.-
Sp weit der Freund, das urteilende Individuum,
das Sie angerufen haben; der zur Ruhe verwiesene Direkt er
schweigt, -bis auf Weiteres.
27.9.05.
Die Darstellung der Schicksale des Zwischenspiels
beim Nachbar wirkt sehr überzeugend; dieses Verhalten
nennt man dort eben „ablehnen“. Die Mitteilung, der ich
noch nachgegangen bin, stammt von einem Wohlinformierten
jenes Kreises, und war jedenfalls echt - in jedem Sinne.
Hoffentlich haben Sie von der Fülle Ihrer thatra-
lischen Erlebnisse sich noch ein bischen gelüftet -
doch nicht so gründlich, dass Sie nicht ev. Lust hätten,
es nach dem historischen 12.Oktober mit mir nochmals zu
tun? Ich würde gern noch ein paar schöne Herbstage
verspazieren. Auf Wiedersehen,wünsche ich,in 14 Tagen.
Herzlich
O.B.
G.H.F.
Was ist aus der Scene an der Donau geworden, die den 2.
Akt beschliessen sollte?