B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 321

30.9.96
der Tod Karinskis sympathischer sein könnte und dass
der Tod Pauls (ich nehme an, dass die Sache bis dahin
gut gegangen ist) Widerspruch hervorrufen wird - aber
wenn nicht aus andern Gründen - aus dem Grund fällt
des Stock nicht, Denn gebe ich dem Stück den in gewis-
sem Sinne versöhnenden Abschluss, dass der „Gute"
siegt, so wird sich alsbald die Frage erheben, „wozu
das ganze? “Wenn Paul einen unbequemen Herrn auf diese
Weise wegräumt, so ist die ganze Affaire eine Privatsa-
che geworden, und die allgemeine Bedeutung ist versufft.
Denn die Leute sollen nicht mit dem Gefühl aus dem
Theat er gehen! Wenn mich einer fordert und mich dann
bedroht, werd ich ihn einfach umbringen, sondern sie sol-
len die Empfindung haben: So stehen die Dinge heute.
Wenn einer, der zufällig zu einer privilegierten Men-
schenklasse gehört, sich unanständig benimmt und wenn
ich ihn dann züchtige, so muss ich mich mit ihm schla-
30.9.96.
gen- oder, wenn ichs nicht thue, so hat der nicht nur das
Recht, sondern sogar die Verpflichtung mich niederzu-
Schiessen." Sie wie sen sehr gut, nicht um diesen Effekt
herauszubringen, habe ich das Stück geschrieben - mir
ist die Fabel als solche eingefallen; aber wie ich nun
den Boden untersuche, auf dem sie gewachsen ist, so
stosse ich naturgemäss auf ihre Wurzeln.-
Nun der zweite strittige Punkt.Sie wünschten, dass der
Tod des Paul oder sagen wirder Knall hinter Sze-
ne verlegt wird. Ich halte das für absolut unmöglich-
ich meine künstlerisch unmöglich.Nehmen Sie einmal den
Fall an, es liesse sich machen, dass Paul erdolcht wird;-
Sie wären gewiss nie auf den Einfall gekommen, er soll-
te hinter der Szene erdolcht werden. Ich fragewarum?
warum, warum? Als einzigen Grund können Sie mir angeben:
Es ist dem Publikum unangenehm,wenn auf der Bühne ge-
schossen wird. Würde es sich um einen gemeinen Knall-