B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 369

XVIII.Spöttelgasse 7.
Wien, 13.7.1904.
Lieber Freund, auf Ihre Karte von Lahmann antworte ich
Ihnen der Sicherheit halber an Ihre Berliner Adresse,
ohne zu ahnen wo Sie sich heute wirklich aufhalten.
Ich bin etwa 14 Tage lang krank gewesen, sogar bett-
lägerig - eine Gelbsucht, die aber nun in raschem Ver-
schwinden ist. gearbeitet hab ich natürlich so gut
wie gar nichts- in der vorangehenden Zeit auch nur am
Roman- und auch daran nicht so viel als ich von mir
verlangen könnte. Was dramatisch zunächst fertig wird -
und wann dies zunächst sein mag,getrau ich mich auch
nicht annähernd zu sagen. In Taormina hab ich ein paar
Komödienakte hingeschmissen, die so wie sie sind gar
nichts zu bedeuten haben. Einen der ersten Menschen,
die ich in Wien sah, war Holländer, als Gesandter des
Kleinen- und Neuen Theaters. Jarno hat sich wegen des
Einsamen Wegs an mich gewandt. Um ihn nicht für Wien
vollkommen zu verlieren, werd ich mich doch wohl ent-
(13.7.04.)
schliessen, ihn einem dieser beiden Theater,Volks- oder
Josefsstadt zu überlassen. Es thut mir ja freilich in
der Seele weh, dass ich Bassermann nie wieder als Sala
sollte sehen dürfen. Mit wie viel Perzent Wahrscheinlich-
keit denken Sie den E.W. ins Repertoire wieder aufzu-
nehmen? - Ferner:Sie wollten Liebelei u. Literatur zu-
sammen geben- hielten Sie es nicht für versuchswerth,
die Leb.St. als Cyclus wie sie geschrieben waren, neu
einzustudieren?- Noch eines, freilich nur der Vollstän-
digkeit halber, nämlich das s das Märchen ein oft ge-
spieltes höchst beliebtes Repertoirestück in Russland
geworden ist, eine berühmte russische Schauspielerin
mit unaussprechlichem Namen immerfort darin pastirt
(und dass ich natürlich keinen Heller bekomme, während
der Uebersetzer bereits mehrere tausend Rubel einge-
steckt hat.)-
Meine fernem Aussichten und Pläne für den Sommer? hi er-