B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 399

54 Wien, 1.X.1905.
sehr
Lieber Freund, Sie können sich wohl denken, wie ich
Ihre Bemerkungen über den 3. Akt des R.d.L. nachzuem-
pfinden vermag. Es hat seine tiefen im Stoff liegenden
Gründe, dass dieser Akt gegenüber den zwei ersten stil-
ler wird, nachzulassen scheint, in Hinsicht aufs drama-
tische auch wirklich nachlässt. Vielleicht war es mög-
lich irgend ein Moment zu finden, das auch diesem
letzten Akt die starke äussere Bewegung gegeben hätte,
das den beiden ersten innewohnt. Ich habe viel, sehr
viel darüber nachgedach t. Aber immer wenn ich die-
sem ziele nahe zu sein glaubte, zeigte es sich, dass
die eigentliche Idee des Ganzen davonschlüpfte und dass
ich für einen innern Abschluss nichts gewinnen konnte
als einen äussern gffekt. Im ursprünglichen Plan
sollte der 3. Akt am morgen nach dem zweiten, wieder
in Mariens Wohnung spielen; seelisch sollte sich etwa
das gleiche ereignen als in der jetzigen Fassung vor
sich geht - die Gezwungenheiten und Unwahrscheinlich-
(1.X.05.)
keiten waren nicht zu überwinden. Dann, als ich den 3.
Akt zum ersten Mal wirklich schrieb, spielte er 3 Mona-
te nach dem zweiten, und Marie trat als eine bereits
beruhigte Person auf. Der Arzt erschien und brachte
Zweifel mit; sie begann in ihrem Sicherheitsgefühl zu
schwanken und ihr Geständnis an den Adjunkten stellte
die endgiltige Reinigung vor. Dies war die Fassung,
in der ich das Stück zuerst vorlas (ich hatte an diesen
3.Akt schon bis dahin gewiss zehnmal mehr gearbeitet
als den ersten zweien, die mir beinah fertig aus der
Feder flos sen) - und, wie ich erwartet hatte, befriedig¬
te diese Lösung keineswegs. Nun versuchte ich mancher-
lei. Zu diesen Versuchen gehörte auch die Verwandlung
des zweiten Aktes, von der ich Ihnen einmal geschrieben
habe und die eine Ueberleitung zum 3.Akt vorstellen
sollte. Es zeigte sich, dass diese Szene doch eigent-
lich nichts enthielt, als Wiederholungen und Verdeut-
lichungen, die rückwirkend den Beginn des 2. Aktes schä-