B16: Brahm, Otto 2 Arthur Schnitzler an Brahm, Abschrift (Fortsetzung) , Seite 11

Marienlyst, 12. Juli 1906.
Lieber Freund,
nun sind wir schon 14 Tage da, und es gefällt uns ei¬
gentlich mit jedem Tage besser. Das Hotel ist in jeder
Art vorzüglich, Wohnung, Essen, Bedienung, die gemeinsamen
Räume weit und luftig; der Park schattig und freund-
lich zugleich, das Seebad, wenn auch kein sog. Strand da
ist (wenigstens keiner zum Baden) köstlich u. wellen-
schlägerisch; anmutige Spaziergänge, reizvolle Gänse
ins Land, Wald, Feld, Meer, auch Blicke in die freie See;
kurz, wenn es Ihnen in Nordwyk nicht sehr behagt, so
kann ich Ihnen nur rathen? Kommen Sie her, Sie werden
es nicht bereuen. Wir leben in halber Pension; den
Abend haben wir uns frei gemacht, weil das 6 Uhr Dinner
mir zu früh und zu opulent war. Wir bleiben jedenfalls
bis auf weiteres; eine Reise von hier an die Nordsee
en famille ergibt sich als eine allzu umständliche
Sache, und so ist unser (natürlich nicht felsenfestes,
aber doch auch nicht geradezu kahanisch-holländerisch-
(12.7.06.)
reinhardtisches) Programm: etwa Mitte August Kiel
TSchleswig Holstein), Berlin (Heini und Fräulein nach
Wien senden) Weimar,Thüringen - (München? - Salzkamner-
gut?) Wien.
Mit jener Intuition, die ich stets an Ihnen bewundert
habe, wissen Sie an der Nordsee, ja schreiben mir genau
an dem 8.Juli, dass Sie das A.stück von mir erhoffen,
an dem ich es frisch und frei, einigermassen fröhlich,
aber gar nicht fromm zu dichten oder mindestens zu
verfassen begonnen habe. Dass es heuer oder gar für
heuer fertig wird, erscheint mir allerdings ausgeschlos-
sen, Auch müsst ich dieses Stück (wenn es überhaupt
für Russland geeignet ist) jedenfalls ein paar Monate
vor einer Aufführung in Deutschland dem Stanislawski
schicken - sowohl aus künstlerischen als finanziellen
Gründen möcht ich auf das Moskauer „Künstlerische
Theater" nicht verzichten. Aber das ist natürlich noch
ein weites Feld, eine Steppe möcht man sprechen. Auch
ΞΑκαι κἰν