B16: Brahm, Otto 2 Arthur Schnitzler an Brahm, Abschrift (Fortsetzung) , Seite 40

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Wien, 18.12.1909.
Lieber Freund, für heute nur so viel, dass ich gerade
gestern Abend (heut früh, eben, kam Ihr Brief) in einem
plötzlichen Ekel, ohne dass sich in der Sache indess
das geringste ereignet hätte, die Rein.Leute ganz kurz
um sofortige Rücksendung des Med.Mescrpts.ersuchte.
Für Ihr einfaches klares und wohlbegründetes Nein
dank ich Ihnen wie einer, dem man, nachdem er seinen
Durst aus peliduli - parfümierten Tümpeln löschen oder
betrügen musste, einen köstlichen Becher Salvator vor-
gesetzt hat.-
Ihr sarmatischer Freund, verzeihen Sie das harte Wort,
lügt glaub ich Sie gerade so an wie die andern (object) -
hierüber, wie über vieles andre will ich Ihnen in weni-
gen Tagen ausführlich berichten.- Die Censur hat näm-
lich- nach etwa 6 Wochen - sich noch immer nicht ent-
schieden, und ich hab triftige Gründe zu vermuthen,
dass dieses Hinausschieben nicht ohne sarmatisches
Einverständnis geschieht. Dienstag hab ich mich bei
18.12.09.
dem betreffenden Sect-Chef angemeldet - mit direktoria-
ler Bewilligung, ja, scheinbar zu seiner (den ich übri-
gens noch immer nicht zu sprechen bekam) besondern
Freude. Entschuldigen Sie die nervöse Stilistik.
- Der „Ruf“ war ein wahrer Erfolg hier - und die
schlimmsten Grossmänner und Polgars haben sich zu mir
bekehrt; bis zu enthusiastischen Aeusserungen. Die
äussere Geschichte von Werken ist doch auch was selt¬
sames.-
Uns geht's allen gut...soweit. Also in ein paar Tagen
mehr.
Vom Herzan
A.S.