Brahm
27.12.1909.
Lieber Freund!
Der Ernstfall, dessen Escheinen ich in meinem
letzten Brief an Sie für möglich hielt, hat nicht lange
auf sich warten lassen. Vorgestern bekom ich von
Schlenther den folgenden Brief:
"Sehr geehrter Herr Doktor.Wenn Sie die heutigen
Morgenblätter gelesen haben, so wird Ihnen der eigent¬
liche Grund klar werden, neshalb ich mit der Annahme
des "Jungen Medardus" so lange gezögert habe Auch
wenn die technischen und Zensur-Schwierigkeiten über¬
wunden sind, so enthält das Stück doch eine so anorme
Arbeit, dass ich es nicht verentworten kann sie meinem
präsumtiven Nachfolger aufzubürden, ohne dass er vorher
hat Stellung dazu nehmen können. Mir selbst wäre es
sehr erfreulich und wünschenswert gerade mit diesem
Stück Abschied zu nehmen. Das würde aber einen Termin
be euten, auf den is wohl nicht eingehen möchten. Denn
da die neueintretenden SchauspfeIertnnen, die für die
beiden Hauptrollen in Betracht kommen,erst im Frühjchr
dispontbel sind, so könnte die Aufführung keinesfalls
vor Ende April sein, mögl ich erweise sich aber auch bis
in den Mai hinausschieben. Wie Sie mir schon andeuteten
würden Sie den Herbsttermin beobzugen, der aber fiele
keinesfalls mehr in meine Zeit. Vielleicht löst sich
die Schwierigkeit durch eine persönliche Unterredung,
zu der ich Sie bitten werde, so bald ich von einer kur¬
zen Reise nach Berlin, die ich heute entrete, zurückge¬
kehrt sein werde.“
Aus diesem Brief geht also hervor, dass Sch.
eine offizielle Annahme des Medirdus zu vermeiden wünscht
und es wäre mir natürlich von grossem Wert, wenn ich
Ihm gegenüber erinnern könnte, dass er sich zu Ihnen ge¬
äussert, er würde mir,wenn Zensur und Drehbühne stimmen,
was nun der Fall ist, einen Brief mit Termin schreiben,
durch den sich auch sein Nachfolger gebunden fühlen
müsste. Obwohl ja bei den Vertrags-resp. het den Tan¬
tiemenrevers-Verhältnissen des Burgtheaters von einer
solchen Lindung im juridischen Sinn nicht die Rede
sein kann, wäre meine position selbstverständlich eine
beträchtlich bessere, wenn ich nach sechsmonatlichen
Verhandlungen doch wenigstens die offizielle Annahme
27.12.1909.
Lieber Freund!
Der Ernstfall, dessen Escheinen ich in meinem
letzten Brief an Sie für möglich hielt, hat nicht lange
auf sich warten lassen. Vorgestern bekom ich von
Schlenther den folgenden Brief:
"Sehr geehrter Herr Doktor.Wenn Sie die heutigen
Morgenblätter gelesen haben, so wird Ihnen der eigent¬
liche Grund klar werden, neshalb ich mit der Annahme
des "Jungen Medardus" so lange gezögert habe Auch
wenn die technischen und Zensur-Schwierigkeiten über¬
wunden sind, so enthält das Stück doch eine so anorme
Arbeit, dass ich es nicht verentworten kann sie meinem
präsumtiven Nachfolger aufzubürden, ohne dass er vorher
hat Stellung dazu nehmen können. Mir selbst wäre es
sehr erfreulich und wünschenswert gerade mit diesem
Stück Abschied zu nehmen. Das würde aber einen Termin
be euten, auf den is wohl nicht eingehen möchten. Denn
da die neueintretenden SchauspfeIertnnen, die für die
beiden Hauptrollen in Betracht kommen,erst im Frühjchr
dispontbel sind, so könnte die Aufführung keinesfalls
vor Ende April sein, mögl ich erweise sich aber auch bis
in den Mai hinausschieben. Wie Sie mir schon andeuteten
würden Sie den Herbsttermin beobzugen, der aber fiele
keinesfalls mehr in meine Zeit. Vielleicht löst sich
die Schwierigkeit durch eine persönliche Unterredung,
zu der ich Sie bitten werde, so bald ich von einer kur¬
zen Reise nach Berlin, die ich heute entrete, zurückge¬
kehrt sein werde.“
Aus diesem Brief geht also hervor, dass Sch.
eine offizielle Annahme des Medirdus zu vermeiden wünscht
und es wäre mir natürlich von grossem Wert, wenn ich
Ihm gegenüber erinnern könnte, dass er sich zu Ihnen ge¬
äussert, er würde mir,wenn Zensur und Drehbühne stimmen,
was nun der Fall ist, einen Brief mit Termin schreiben,
durch den sich auch sein Nachfolger gebunden fühlen
müsste. Obwohl ja bei den Vertrags-resp. het den Tan¬
tiemenrevers-Verhältnissen des Burgtheaters von einer
solchen Lindung im juridischen Sinn nicht die Rede
sein kann, wäre meine position selbstverständlich eine
beträchtlich bessere, wenn ich nach sechsmonatlichen
Verhandlungen doch wenigstens die offizielle Annahme