A53: Der Geist im Wort und der Geist in der Tat, Seite 17

den und ausnützen könnte. Seine Erlebnisse
sind ihm bewußt oder unbewußt Mittel zum
Zweck. Er ist unfähig, einem Erlebnis,einem
Menschen, einer Sache betrachtend, also wahr-
haft reinen Herzens gegenüberzustehen. Keiner
unter den negativen Typen ist manchmal so na he
daran, tragisch zu wirken als er, denn' er ist
wenn auch
der bewußteste unter ihnen. Aber er bleibt in
oft bedu
jedem Falle nur eine tragikomische Figur
Er ist unter allen Typen der unmensch¬
tendu
lichste, daher schreibt man ihm zuweilen
Dämonie zu, während er doch auch in seinen
From als
bedeutendsten Erscheinungen nur als sata
nisch bezeichnet werden kann.
Beim Dichter ist die Linie des Lebens
und des Schaffens ein und dieselbe. Beim
Diteraten sind es zwei Linien, die in gewissen
(erhöhten) Momenten nahe zueinanderfließen,
ja sich so völlig decken können, daß der Eindruck
einer einheitlichen Linie hervorgerufen (und der
literat für einen Dichter gehalten) wird. Der
Typus Literat findet sich keineswegs nur unter
den Schriftstellern; literatenhafte Einstel-
lung zum Leben im Sinne steter Bereitschaft
zur selbstbeobachtung, Neigung zur Selbst-
bespiegelung bei Vernachlässigung der zu er-
füllenden wesentlichen Forderungen, manchmal
selbst zum eigenen Schaden, findet sich bei
vielen Menschen die mit dem Literatenberuf
nichts zu tun haben.
Der Dichter bringt immer sich selbst dar,
auch in einem Werk, darin er matt und unzuläng
lich ist. Der Literat spart sich auf, auch wo
er sich zu verschwenden scheint. Deutlicher noch
als anderswo zeigt sich hier das quanti tative Über-
wiegen des negativen Prinzips in der Welt: es
gibt viel mehr bedeutende Literaten, als es be-
deutende Dichter gibt; aber kein Literat, mag
tge
er auch Meisterwerke schaffen ist jemals ein
großer Mensch gewesen.
Le haber
EIN ZWISCHENKAPITEL UBER
BEGABUNGEN UED SEELEN
ZUSTAND
Auf den ersten Blick mag es scheinen, als wenn
mit den aufgestellten Typen nicht sämtliche in-
nerhalb dieses Diogramms möglichen einheit-
lichen Geistesverfassungen aufgezählt wären, und
mancher wird z. B. den Satiriker, den Dilettan-
ten, den Kritiker,den Melancholiker, den Fana-
tiker, den Zweifler, den Enthusiasten und noch
viele andere zu vermissen glauben.
Diese genannten und viele andere Typen
haben in dem Diogramm einfach deshalb keinen
Platz gefunden, weil sie nicht hineingehören.
Denn der Kritiker, Enthusiast, Zweifler usw.
stellt nie und nimmer den Typus einer Geistes-
Schnitzler, Diogramm
1 8. SEZischer, Berlin.
Spamersche Buchdruckerei in Leipzig