A62: Medizinische Schriften, Seite 42

Med. Krit. 58
Sylvesterbetrachtungen.
Dieser schöne Aberglaube der Sylvester-
nacht! Wenn das alte Jahr uns davontoilt,so
wie es uns hereingebraust kam,stolz und hei-
ter, dann ist xx uns doch immer, als müs
es nun
ten wir hoffen, als müsste
besser werden. Wie oft schon wurden wir ge-
täuscht! Wie oft schon belehrt, dass die Men-
sch en immer dieselben bleiben und dass die
Sonne des Neujahrsmorgens über derselben frag¬
würdigen Gesammtheit aufgeht, die der Mond des
Sylvesterabends beschienen. Das alte Schau
spiel nimmt seinen Fortgang. Heute wieder das
Hasten von gestern, in diesem Jahre wieder
die Kämpfe des alten, für immer wieder das bis-
chen Edelsinn und die Masse Erbärmlichkeit,
die das Wesen des Menschentums auszumachen
scheint.Wahrhaftig, sie ist allzu banal, diese
Hoffnungsand acht, die uns aus dem Sylvesterpunsch
emporsteigt und unser Haupt mit dem gelinden
Dunst der Freude umgibt. Auch dieses Jahr
bringt uns nimmer, was die Guten aller Ze ten
ersehnt, den wahren Frieden und die echte
Menschlichkeit.
Wie unendlich weit sind wir zur Stun-
de von diesem Ziele entfernt, dem Allen voran
die in naturwissenschaftlichem Geiste denken-
den Menschen zustreben müssten;wir sind es heu
te weiter als in dem ganzen abgelaufenen Jahr-
hundert.Und Berjenige.der anthroposentrische
Naturwissenschaft treibt, der Arzt, den seine
ganze Studienrichtung zur Anschauung führt, der
sehen lernen muss, wie kein Anderer,in das Ge-
heimnis des Organischen sich am tiefsten ein-
schleicht, gerade der müsste, wenn er das Zeug
hat, seinen Beruf richtig auf zufassen, in den
Reihen der Vorurteilslosen am weitesem voran
geschritten sein.Die mächtige Eindringlichkeit