A62: Medizinische Schriften, Seite 43

Med. Krit. 59
des Geschauten, Empfundenen und Erfassten
müsste ihn erschüttern und überzeugen.
Aber der Beruf des Arztes wird von
gar verschiedenen Naturen gewählt, leider auch
von solchen, die nicht die Anlage haben, na
turwissenschaftlich zu denken. Sie flattern
durch ihre Wissenschaft und dringen nicht
in das Wesen derselben ein. Das Krämerleben
des Alltags lässt sie keinen Augenblick los
und mitten in der freien Atmosphäre, die sie
umgibt, hören sie nur den vergänglichen Lärm
des Tages. Während die grosse Quelle an ihnen
vorüberrauscht,schöpfen sie aus Röhrbrunnen.
Die überlebten Vorurteile einer urteilslosen
Menge sind ihre eigenen,und in den kleinli-
chen Hader der Parteien, aus dem sie doch nur
die heiseren Rufe unreifer Denker heraushö-
ren sollten, stimmen sie mit eih,An ihnen
hat die Lehre von der Natur ihre läuternde
Macht vergebens versucht!
Wir finden es nicht notwendig,von
diesen allgemeinen Bemerkungen aus einen
Uebergang zu der Betrachtung von Zuständen
suchen,wie wir dieselben sich vor unseren
Augen innerhalb der letzten Jahre entwickeln
sahen. Der Vergleich liegt offenbar da.
Irrtümer, wie wir sie Leuten ohne
Geistes-und Herzensbildung vielleicht nach-
sehen könnten, erscheinen mitten in dem vor-
nehmen Gedankenkreise der Naturgelehrten, und
die verblendung, der sich die Masse von jeher
willig hingegeben, breitet sich über die Augen
jener, welche berufen wären, die Wahrheit zu
predigen, der sie ihr Dasein geweiht. Ja, wenn
die Wissenschaft stets die Kraft hätte, zu
bilden, zu veredeln! Was vermag sie aber mit