B17: Brandes, Georg 17 (1) Brandes an Schnitzler, Seite 57

- 2 - (Juni os)
Verehrter Freund.
aber nicht den strengen notwenigen Zusammenhang. - Ihre Gestalten sind
fesselnd. Ich kenne nicht eben solche Henschen, aber glaube an ihre
Wahrheit. Wenige Bücher fesseln mich wie die Ihrigen. Ich glaube immer
etwas Verwandtes zu spüren. Ich habe Sie, kurz gesagt, ausserordentlich
lieb.
Ihr
aufgeführt worden ist. Die
Georg Brandes.
elnde "Vervirrung des Gefühls" is
Goetheschen
Ihre Domäne. Sehr fein ist die schwache Asseu-
Medardus ist so recht
tung einer geistigen Verwandtschaft zwischen Helene und Kapolsen
Die ganze Wieneratmosphäre vor 100 Jahren haben Sie geb.
wenn ich nicht irre, lag es Ihnen besonders an Herzen,
welchen Hintergrund von Spieszbürgerlichkeit und lässiger Re-
die in Wien zu Hause waren, und auf welchem Hintergrund von unnatiess
lem Wesen und Gehorsam dem Eroberer gegenüber, die in Leutschland her-
vortraten, der Heroismus einiger Wenigen sich geltend macht. Zins nach-
sichtige Menschenverachtung durchdringt das Schauspiel, und findet u.e.
in mir ein Echo.
Ich möchte immer gerne wissen, wie es Ihnen geht und wie as Bear-
Hofmann geht, den ich (vor 18 Jahren, glaube ich) mit Ihnen kennen
lerste.
Ueber mich selbst ist nichts Interessantes, wenigstens nicht
Gutes zu melden. Ich bin nicht krank. Haben Sie für die Freude Dank
womit Sie bei jeder neuen Arbeit auch an mich denken.
Ich bin Ihr unveränderlicher Freund
Georg Brandes.
Kopenhagen, 18.12.1910. Havnegade)
1
11.4.1911.
Verehrter Freund.
Verehrter Herr und Freund.
Wenn ich Sie lese, tut es mir leid, dass ich so weit von Ihnen wohne
und so selten Gelegenheit habe, mit Ihnen einige Worte zu wechseln.
Medardus habe ich sehr genau gelesen, laut vorgelesem, um es recht zu
würdigen. Sie haben dort ein reiches Bild aufgerollt. Mit Ueberraschung
und Freude erfuhr ich aus einer Zeitungsnotiz, dass das Stück trotz
seiner epischen Anlage erfolgreich aufgeführt worden ist. Die - im
Goetheschen Sinn über Kleist - fesselnde "Verwirrung des Gefühls" in
Medardus ist so recht Ihre Domäne. Sehr fein ist die schwache Andeu-
tung einer geistigen Verwandtschaft zwischen Helene und Napoleon.
Die ganze Wieneratmosphäre vor 100 Jahren haben Sie geben wollen. Und
wenn ich nicht irre, lag es Ihnen besonders am Herzen, zu zeigen, auf
welchem Hintergrund von Spiessbürgerlichkeit und lässiger Frivolität,
die in Wien zu Hause waren, und auf welchem Hintergrund von unnationa.
lem Wesen und Gehorsam dem Eroberer gegenüber, die in Leutschland her-
vortraten, der Heroismus einiger Wenigen sich geltend macht. Eine nach-
sichtige Menschenverachtung durchdringt das Schauspiel, und findet u.a.
in mir ein Echo.
Ich möchte immer gerne wissen, wie es Ihnen geht und wie er Beer-
Hofmann geht, den ich (vor 16 Jahren, glaube ich) mit Ihnen kennen
lernte.
Ueber mich selbst ist nichts Interessantes, wenigstens nicht besonders
Gutes zu melden. Ich bin nicht krank. Haben Sie für die Freude Dank,
womit Sie bei jeder neuen Arbeit auch an mich denken.
Ich bin Ihr unveränderlicher Freund
Georg Brandes.