B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 15

1 1/2 0/0 4 1/0 r.t 1 1 1/4 r.m.t. 4m. 4 0/4 ct 4 U1 1 m. p.n
1,1
12)
Verehrtester Herr Brandes,
aus der Zeitung erfahre ich, dass Ihre Mutter gestorben
ist. In herzlicher Teilnahme drücke ich Ihnen dieHand.
Ihr Ihnen wahrhaft ergebener
Arthur Schnitzler
Wien 4.I.99.
1'1"
P.C.F.P.
Von tädtigen und wäre wurde zu lassen.
" "
Verehrter Herr Brandes,
gestern habe ich Ihren Brief bekommen und aus ihm erfahren,
dass Sie wieder zu Bette liegen. Abends stand es in einer Berliner
Zeitung zu lesen, mit dem Beisatz, dass Sie sich schon auf dem Weg
der Besserung befinden. Ich hoffe, dass es sich so verhält, und
dass Sie bald ganz gesund sind. Meine innigsten Wünsche sind bei
Ihnen, das wissen Sie. Auch von Ihrem Streit mit den Deutschen hab
ich durch die Zeitung erfahren; Sie sollen irgend einen Vortrag ab-
gesagt haben, im Verein "Berliner Presse", aus "polit.Gründen". Fügen
Sie Ihrem Antipathieen gegen Preussen und Frankreich nur getrost die
gegen Oesterreich bei. Lesen Sie manchmal Wiener Zeitungen, Parla-
ments-und Gemeinderathsberichte? Es ist staunenswert unter was für
Schweinen wir hier leben,- und ich denke immer, selbst Antisemiten
müsste es doch auffallen, dass der Antisemitismus - von allem andern
abgesehen - jedenfalls die sonderbare Kraft hat, die berlogensten Ge-
meinheiten der menschlichen Natur zu Tage zu fördern und sie aufs
höchste auszubilden. Wie merkwürdig, dass sogar die offenbaren Mängel,
Fehler, meinetwegen Verbrechen der Judenpresse, die man als so spezi-
fisch jüdisch hinstellen wollte, von der Antisemitenpresse ins unge-
heuerliche ausgebildet worden sind. Aber wir wollen über diese wider-
lichen Dinge lieber gar nicht reden. Ich freue mich, dass das “Ver-
mächtnis" einigen Beifall bei Ihnen gefunden hat. Mir selbst ist nur
der erste Akt lieb; dann gewisse Partien des letzten. Solange die
Hauptperson auf der Scene ist, hab ich das Stück nicht gern. Die ist
ganz unpersönlich geblieben, find ich. Während der Proben fiel mir
manches ein, womit ich das Stück hätte höher bringen können; vor allem
hätte ich das Kind müssen am Leben lassen,- aber es scheint ich bin
nicht anständig genug, um ein Stück noch auf der Probe zurückzuziehn,