A128: Im Spiel der Sommerlüfte. In drei Aufzügen, Seite 22

lieber, daß du bei der Nachprüfung in Griechisch nicht
durchfliegst.
EDUARD. Also mir g’fallt er gar nicht, dein Doktor.
GUSTI. Ich habe die Ehre. Wendet sich entschieden
zum Geben.
EDUARD vom Tisch berunter, erwischt sie gerade noch beim
Armel. Dageblieben! Beginnt zu lesen. Die Lerche
GUSTI. Ruhe! Ich fang an. Zuerst noch mechanisch
mit ihrer gewohnten leichten Dialektfärbung, allmäblich reiner, freier
und mit wirklieber Begabung.
„Willst du schon gehn, der Tag ist ja noch fern.
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,
Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang.
EDUARD liest mit übertriebener Geste.
„Die Lerche war’s, die Tagverkünderin —“
GUSTI iba unterbrechend. Schon gut. Nur die letzten
zwei Verse.
EDUARD liest etwas mechanisch.
„Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt,
Der muntre Tag erklingt in dunst’gen Höhen;
Nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod.“
Die letzten Worte mit Patbos.
GUSTI
„Trau mir, das Licht ist nicht des Tages Licht,
Die Sonne hauchte dieses Luftbild aus,
Dein Fackelträger diese Nacht zu sein,
Dir auf dem Weg nach Mantua zu leuchten;
Drum bleibe noch: zu gehn ist noch nicht not.“
EDUARD allmäblich mit Ausdruck.
„Nein, jenes Grau ist nicht des Morgens Auge.
Ich bleibe gern, zum Gehn bin ich verdrossen.
Willkommen Tod! Hat Julie dich beschlossen.
Nun Herz? Noch tagt es nicht, noch plaudern wir.
GUSTI spricht nicht gleich, siebt Eduard gewissermaßen mit
einem neuen Blick an. Am Ende wirst du doch noch
Schauspieler. Plötzlich einsetzend.
„Es tagt, es tagt! Auf! Eile! Fort von hier!
Es ist die Lerche, die so heiser singt,
Fischer-Verlag, Berlin
Im Spiel der Sommerlüfte
1. Fahnenkorr. am 19. 8. 29
Bibliographisches Institut, Leipzig