A128: Im Spiel der Sommerlüfte. In drei Aufzügen, Seite 31

GUSTI. Es ist halt so schwer. Das Beste wär', glaub
ich, ich saget ihm gar nichts und wär' plötzlich auf und
davon.
JOSEFA. Das wär’ vielleicht wirklich das Geschei¬
teste. Sie trinken Kaffee.
GUSTI. Hab' ich dir schon g'sagt, Tant' Josefa, die
Mutter hat das große Zimmer weitervermietet an einen
Sektionsrat vom Ministerium. Fünfundzwanzig Gulden
monatlich. Das gelbe Kabinett haben wir uns reserviert
für den Fall, daß sie mich wieder nach Haus schicken.
JOSEFA. Sie werden dich schon nicht nach Haus
schicken. Mit dem G'sichtl und mit der Figur!
GUSTI balb scberzbaft. Und von meinem talent re¬
dest du gar nicht?
JOSEFA. Das ist nicht immer die Hauptsache beim
Theater.
GUSTI. Bei mir schon. Übrigens ist es auch in der
Zeitung gestanden nach der Schlußvorstellung vom
Konservatorium: „Verheißungsvolle Begabung, an-
mutige Erscheinung.“ Nimmt einen kleinen Zeitungsausschnitt
aus dem Portemonnaie, liest. „Fräulein Edith Neumann verriet
immerhin die Anfängerin“... Und die Ansängern ha¬
ben sie nach Hamburg engagiert und mich nach Inns¬
bruck. Na, wenigstens ist es nicht so weit von Wien.
JOSEFA. Das könnt' dir doch egal sein.
GUSTI. Aber für den Doktor ist es nicht egal. Der
wird mich doch regelmäßig besuchen; mindestens alle
Monat einmal.
JOSEFA. Ich möcht' mir so was nicht einrichten an
deiner Stelle. Es tut kein gut. In solchen Fällen gibt’s
nur ein Entweder-Oder. Sei froh, daß du hinaus in
die Welt kommst mit deinen neunzehn Jahren, in die
Freiheit und ins Leben...
GUSTI beinabe grob. Ich pfeif' auf die ganze Freiheit..
Und auf meine neunzehn Jahr am allermeisten. Ich
wollt', ich wär lieber neunzig, und alles wäer' vorbei.
JOSEFA. Du redest einen schönen Unsinn. Vorbei!
Unterdrückt, leidenschaftlich. Du weißt nicht, was das
heißt — vorbei.
Fischer-Verlag, Berlin
Im Spiel der Sommerlüfte
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I. Fahnenkorr. am 20. 8. 29
Bibliographishes Institut, Leipsig