A139: Casanovas Heimfahrt, Seite 21

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Ihrem Gasthof zu Mantua, wenns auch an mancherlei fehlen dürfte.
Er ging voraus, die Stiege zur Galerie hinauf, die sich ringe um
die Halle im Viereck zog und von deren äusserstem Vinkel eine
enge Holztreppe sich nach oben wand. In der Höhe angelangt öff-
nete Olivo die Türe zum Turngemach und, an der Schwelle stehen
bleibend, wies er es Casanova mit vielen Komplimenten als beschei-
denes Fremdenzimmer an. Eine Magd brachte den Mantelsack nach,
entfernte sich mit Olivo, und Casanova stand allein in einem mus-
sigen, mit allem Notwendigen ausgestatteten, doch ziemlich kahlen
niet
Raum, durch dessen vier schmale hohe Bogenfenster/ein weiter
Blick nach allen Seiten auf die sonnbeglänzte Ebene mit grünen
Weingeländen, bunten Fluren, gelben Feldern, weissen Strassen, hel-
len Häusern und dunklen Gärtchen darbot. Casanova kümmerte sich
nicht weiter um die Aussicht und machte sich rasch fertig, nicht
so sehr aus Hunger, als aus einer quälenden Neugier Marcolina
so bald als möglich von Angesicht zu Angesicnt zu sehen; er wech-
selte nicht einmal das Gewand, weil er erst Abend in seinem glän-
zenderen aufzutreten gedachte.
Als er das im Erdgeschoss gelegene holzgetäfelte Spei-
sezimmer betrat, sah er um den wohlbestellten Tisch ausser dem
Shepaar und den drei Töchtern ein in nattschimmerndes, einfach
herunterfliessendes Grau gekleidetes Mädchen von zierlicher Ge-
stalt sitzen, das ihn mit so unbefangenen Blick betrachtete, als
te er jemand, der zum Hause gehörte oder schon hundert Mal hier