A139: Casanovas Heimfahrt, Seite 73

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der Mauer hin. Oder war’s nur ein Wiederklang? Ja, das Geräusch
kam vom Hause her. Marcolinens Fenster stand mit einem Mal offen,
das Gitter war zurückgeschoben, der Vorhang nach der einen Seite
hin gerafft; aus dem Dunkel des Gemachs hob sich eine schatten-
hafte Erscheinung, Marcolina selbst war es, die in hochgeschlos-
sonem weissen Nachtgewand an die Brüstung trat, wie um die holde
Luft des Morgens einzuatmen. Casanova hatte sich rasch von der
Bank heruntergleiten lassen; über ihren Rand, durch das Gezweig
der Allee sah er gebannt Marcolina an, deren Augen scheinbar ge-
danken-ja richtungslos in die Dämmerung tauchten. Nach ein paar
Sekunden erst schien sie ihr noch wie schlafbefangenes Wesen
in einem Blicke sammeln zu können, den sie nun langsam nach rechts
und links schweifen liess. Dann beugte sie sich vornüber, wie um
auf dem Kies etwas zu suchen und gleich darauf wandte sie das
Haupt mit dem gelösten Haar nach aufwärts wie zu einem Fenster
des oberen Stockwerks. Dann stand sie wieder eine Weile ohne
Bewegung, die Hände beiderseits xxx an die Fensterstöcke
gestützt, wie an ein unsichtbares Kreuz geschlagen. Nun erst ge-
stükend
feile 2. gewannen ihre dämmernden Züge für Casanova an Deudichkeit; wie
hier und wenn sie plötzlich von innen erleuchtet worden wären. Ein Lä-
heare
pide 1
cheln spielte um ihren Mund, das gleich wieder erstarrte. Nun
liess sie die Arme sinken; ihre Lippen bewegten sich sonderbar,
als flüsterten sie ein Gebet; wieder schweifte ihr Blick langeam