A145: Mein Freund Ypsilon, Seite 6

4
Jahrgang.
Der
Blad
A.P.
N
Maus
19
S.F.S.
u.
22.20.11.5
S.
15. Jänner.
die Familie.
n
Wien 1889.
v. F. Mamroth.
Chef=Redac
Phantasien wandte, vermochte er selten eine wahrhaftige Auf¬
Mein Freund Upsilon.
munterung oder Anerkennung zu finden.
Aber wie die meisten jungen Dichter gab er wenig auf
Aus den Papieren eines Arztes.
das Urtheil Derjenigen, denen seine Schreibereien nicht gefielen
und fühlte sich bei seiner Muse, die unsichtbar ihm stets zur
Rite wandelte, so unendlich wohl, daß er bis zu einer gewissen
keit zu den glücklichsten Menschen gehörte, die mir jemal
begegnet sind. Allerdings war er manchmal trübselig; doch
sicherlich nie wegen irgend eines mißlichen Zufalles, der ihm
Arthur Meucke,
in dem verächtlichen Alltagsleben zugestoßen war, sondern nur
Nachdruck verboten
wenn sein Sinn sich mit einem recht traurigen Thema befaßte
Zenn auf irgend ein Menschenschicksal das Wor
wenn er an einem Drama arbeitete, in dem Königinnen an
„Tragicomödie" passen mag, so ist es sicherlicke
gebrochenen Herzen und Prinzen an einem gespaltenen Schädel
das Schicksal meines nun verstorbenen Freunde
starben, oder wenn er ein Märchen schrieb, in dem eine böse
Ypsillon, auf dessen Grab ich erst gestern wiede
Fee aus angeborner Bosheit das Glück zweier braver Menschen¬
S
einen Kranz gelegt habe, einenkranz an
kinder zu vernichten drohte. Dagegen war er wieder unbändig
Z.
Immortellen, in den ich auch etwelchen Lorbee
heiter, wenn er den Frühling besang, oder eine Ballnacht, in
einflechten ließ. Denn meiner Ansicht nach ha
welcher eine schöne Maske einen als reichen Nubier verkleideten
kaum jemals ein Dichter ihn so sehr verdient
Kunstakademiker auf den Mund küßt und nachher sagt: „Ja
als mein Freund Ypsilon — nicht wegen seine
Du bist's, und Keiner soll Dich mir rauben!
Genies, das kaum gegen alle Ansechtungen der
Hier aber, dies steht heute unbestritten fest, sing schon der
Kritik sich hätte gefeit erweisen können, sondern
Wahnsinn meines Freundes Ypsillon an. Ich pflegte ihn auch
wegen der großartigen Weise, in der ihm sein
zu ermahnen, ernstlicher als mancher Andere: er solle nicht zu
Kunst zu Herzen ging. Nimmer habe ich seinesgleichen gesehen
intime Freundschaft mit seinen Schatten schließen, sondern sich
und mancher von den großen Poeten, die von der Mitwel
auch im Leben ein Bischen umschauen, wo es manch' lebendig
hoch gepriesen werden, könnte wohl hinausgehen auf den
Ding gäbe, des Besehens werth; auch Mädchen, blinde, braune
Währinger Friedhof und ein stilles Gebet verrichten an der
die mir zum Beispiel viel lieber wären, als seine schwirrenden
kleinen Kreuze, so die Inschrift trägt
Eintagsgestalten
Nun — eine kleine Liebschaft fing er wol an — einmal.
nach dem Theater natürlich, mit einer Choristin, die ihm eigentlich
Hier ruhet in Gott
auch mehr in die Arme gelaufen kam, als daß er sich um sie
bemüht hätte; aber das ging gar ärgerlich, ja so traurig aus
Martin Brand
daß mir das Verwunderliche und Närrische der Sache erst recht
zu Sinne kam, als Alles zu Ende war.
Das Mädchen kam an einem Nachmittag zu mir gelaufen
Martin Brand, so hieß er mit seinem wahren Namen. Mög
man sich nur nicht wundern, daß dieser Name, dessen Andenken und traf mich an, als mich eben auf dem Fauteuil vor dem
Clavier ein leichter Schlummer überfallen hatte. Ich hatte noch
ich so sehr verehre, keine besonderen Erfolge aufzuweisen hatte,
die Hand auf dem piano liegen, irgend eine Dissonanz klang
Seine Gedichte, deren einige allerdings, mit „Y)“ unterzeichnet
mir im Ohre
in einem kleinen Salzburger oder Grazer Blättchen veröffentlich
Ich sah der Kleinen mit einigem Erstaunen in's Gesicht,
u wurden, tagten nicht sonderlich hervor, und auch bei mir, an
umsomehr, da ich Freund Ypsillon nicht an ihrer Seite gewahrte,
den sich der studiosus philologiae — dies war Herr Martin
Brand im bürgerlichen Leben — zuweilen mit seinen geschriebenen / ohne welchen sie mir noch nie in meinem Heim einen Besuch
T.T.
-