A145: Mein Freund Ypsilon, Seite 7

2. Heft
An der schönen blauen Donau.
Seite 26
„Ich komme schon wieder!" Damit verschwand sie, und ich
gemacht hatte. Mein rascher Blick nach der Thür mochte ihr die
ließ die Hände in den Schoß sinken....
Des andern Morgens besuchte ich Freund Ypsillon. Obzwar
ungesprochene Frage klären, die auf meinen Lippen lag, und sie
der helle Tag in's Zimmer schien, brannten auf seinem Schreib-
sagte, indem verhaltenes Weinen in ihrer Stimme zitterte: „Er
tisch vier rothe Kerzen (er konnte nur bei rothen Kerzen arbeiten)
sitzt zu Hause und schreibt!"
und mit trüben Augen saß Ypsillon davor, während seine Feder
„Du kommst von ihm?" Dabei stand ich auf und lud sie ein,
auf dem Divan Platz zu nehmen, zu dessen Seite ich mir einen
ruhelos über das Papier irrte.
Ich löschte die Lichter aus; beim letzten gewahrte er über
Sessel rückte.
Kaum saß sie da, als sie heftig zu schluchzen begann.
haupt erst meine Anwesenheit. „Ach Du!" sagte er.
Was ist Dir denn, Kleine?" fragte ich sie. „Nun?"
„Ypsilan," sagte ich ernst. „wirf augenblicklich das Zeug da
beiseite; geh' mit mir frühstücken, widrigenfalls ich Alles auf¬
Sie aber gab keine Antwort.
bieten werde, Dich in den Narrenthurm stecken zu lassen.“
Ich wartete geduldig. Dann fragte' ich nochmals, ganz
Er heftete seine großen glanzlosen Augen auf mich.
ohne Unruhe im Ton: „Nun —?
Sie nahm ihr Taschentuch und trocknete ihre Thränen.
„Die Kleine war gestern bei mir," erzählte ich ihm weiter
Spielen Sie einen Walzer, irgend etwas Lustiges, dann werde
„Was hast Du denn angestellt?"
Er lächelte. „Rede mir nicht von diesem armseligen Menschen-
ich's Ihnen erzählen... “
Ich begab mich zum Piano und schlug die Tasten an. Schon
kind! Ich habe dieses Geschlecht übersatt.
„Ja, natürlich!" sagte ich. „Diese lebendigen Weiber! Sie
bei den ersten Accorden hörte ich ihre Stimme neben mir:
sindnnutal genug, zu essen, gu trinken, pu lieben und mit einem
„Er liebt mich nicht," sagte sie tonlos.
Ich hielt im Spiele inne und sah sie mit einem überraschten
Riesenaufwand von wirklicher Existenz durch's Leben zu schreiten."
„Rede mir nicht von ihnen," unterbrach er mich. „Es gibt
Blicke an, der eigentlich nicht so ganz aufrichtig war, da ich auf
nur Eine mehr für mich. Du wirst mich ihr nimmer entreißen!
einen Bericht dieser Art vorbereitet war.
„Spielen Sie weiter," sagte sie traurig.
Höre! Es war einmal —
„Ja, aber einen Walzer kann ich jetzt nicht spielen," ent-
Nun begann er mir eine Geschichte zu erzählen, während
gegnete ich, um uns Beide mit einem Scherze über den pein-
der er manchmal auf die Blätter schaute, die vor ihm lagen.
Es handelte sich da um irgend ein sonderbares Mägdelein, das
lichen Moment hinwegzubringen — und intonirte einen Trauer-
marsch. Ich wollte, ich hätte ihn damals nicht gespielt
auf einer Insel im indischen Ocean lebte, Türkisa hieß und das
Holbseligste war, das jemals von Menschen oder Göttern war
heute quält mich der Gedanke daran in lächerlicher, aber-
erschaut worden. Ypsilon konnte nicht Worte genug finden, den
gläubischer Weise
unendlichen Zauber, der von ihr ausging, zu beschreiben. Mit
Die Kleine sprach weiter: „Er muß eine Andere haben,
verzückten Blicken erklärte er mir schließlich, daß er, seit Türkisa
sagte sie, „denn ein- über's anderemal rief er heute aus: „Du
ihr Reich ihm in Kopf und Herzen aufgeschlagen, für nichts
bist doch nicht wie sie — nichtt wie fie —" Und dann, als ich
ihn ganz ängstlich küßte, sah er mich an — so von oben herab +
Anderes mehr das geringste Interesse empfinden könnte.
und sagte: „Geh, siehst Du nicht, daß Du mich störst?" In
Ou liebst sie wol?" sagte ich.
oue sie an, sahre et'imr'une oes 'néfpten" Erfines.
war erstarrt, er aber schrieb weiter, sein Gesicht war geröthet
nmo seine nugen giänzien. Nach einer Wette schy er sich um
„Aber ach, sie muß sterben!"
und sah mich noch dastehen. „Noch immer?" fragte er; da
Ich schüttelte ganz entsetzt den Kopf
„Da ist dann noch ein afrikanischer Prinz," setzte er seine
ging ich."
Geschichte fort, und berichtete ein Näheres von diesem Prinzen,
„Was glaubst Du eigentlich?" fragte ich.
der eine unselige Leidenschaft für Türkisa gefaßt hatte.
Sie zuckte nur die Achseln.
„Ich will es Dir sagen," fuhr ich fort, „wenn Du mich
Du bist wol eifersüchtig?" fragte ich.
„Was hilft's," sagte er mit gepreßter Stimme, „sie liebt
auch anfänglich nicht verstehen magst. Du hast keine Neben-
buhlerin aus Fleisch und Bein — jene Andere, von der Du
ihn wieder."
„Aber Du Narr!" schrie ich ihn an. „Wach' doch auf, be¬
sprichst — lebt gar nicht und ist nur eine Einbildung unseres
denke doch, daß Du den afrikanischen Prinzen von einem Tiger
Freundes Ypsilon
kannst auffressen lassen, daß dann ein deutscher Dichter Namens
Sie starrte mich an.
„Ich kenne ihn," sagte ich, „und weiß, daß er verrückt ist!"
Ypsilan mit einer Barke an den Ufern dieser Insel landen
Auf ihrem Antlitz las ich das Erstaunen über die Ruhe,
kann und..."
„Das kann er nicht,“ erwiderte Yps frn im Tone der
mit welcher ich diese Wahrheit aussprach. „Es ist nicht das
erstemal, daß er sich in seine eigenen Phantasiegebilde verliebt
tiefsten Ueberzeugung.
„Wie? — Warum nicht?“ rief ich aus. „Das liegt doch
Laß ihn zu Ende kommen mit seinem Gedicht, laß es ihn in's
in Deiner Hand! Du leitest die Fäden, Deinem Schädel ist
Pult werfen, und der Spuk ist wieder verschwunden."
doch dieser Wahnwitz entsprungen, diese Türkisa existirt doch
Da muß man ja Angst vor ihm haben!" rief sie aus.
„Das eben nicht," entgegnete ich, „aber schon ein- oder das
nur in Deiner Phantasie!"
anderemal habe ich daran gedacht, wie sehr es seiner Liebe zu
„Gleichviel!" antwortete er ruhig, „es muß gehen, wie es
geht, die Dinge spielen sich ab, ich kann sie nicht ändern.
Dir zu Statten käme, wenn Du ihm erklärtest: „Mein süßer
Ich sprang auf. „Du bist vollkommen wahnsinnig!"
Öpsilon, ich existire ja eigentlich nicht, ick habe mich davon-
Er verzog die Lippen zu einem leichten Lächeln und sagte
gestohlen aus einem Märchen, und diese holde Wirklichkeit in
Deinen Armen ist nur ein Traum...“
nur ganz ruhig: „Nein.“
Ich ging im Zimmer hin und her und fühlte, wie eine
„Wie?" fragte sie. Sie verstand mich kaum.
„Nun, ich will Dir nur erklären, daß Du keinen vernünf-
heftige Erregung meiner Meister wurde.
tigen Grund hast, eisersüchtig zu sein. Laß ihn arbeiten, noch
„Ich bitte Dich, gehe! Du störst mich!" sagte er.
Ich blieb vor ihm stehen, sah ihn mit einem erbitterten
zwei, drei Tage, dann wird er selber zu Dir kommen und Dich
bitten, wieder die Alte zu sein. Verlaß Dich auf mich!"
Blicke an und entgegnete: „Mittags komme ich wieder, um Dich
„Er ist also ein halber Narr!" rief sie aus.
zu fragen, ob Du essen willst."
Während ich die Thür hinter mir zuschloß, sah ich, wie
„Ein halber nonr? Ei halber Dichter, also wohl ein ganzer
Ypsilon seine rothen Kerzen wieder anzündete. Ich aber trat
Narr! Aber beruhige Dich nur und weine jetzt nicht!
hinaus in's volle Licht, unter die Leute, die mit wuchtigen
Wieder griff ich in die Tasten und spielte einen Walzer
Alltagsschritten durch die Straßen wandelten. Im ersten Augen-
Währenddessen ging sie zur Thür, und als ich aufstehen wollte,
sie zu geleiten, wehrte sie mit einer Handbewegung ab und sagte: