A145: Reichtum. Erzählung, Seite 10

Franz griff sich an den Kopf; er verstand das Ganze noch nicht recht.
„Mein Sohn.. rasch.. geh hin!"
„Jetzt?“
„Ja, jetzt, weil es Nacht ist. Meinen Arbeitskittel nimm.. und den Hammer, der
draußen liegt.. neben dem Ofen.. ja.. geh gleich.. ich will es noch sehen.. in ein
Tuch ist es eingebunden, Papier und Gold. Geh.. geh!"
Der Sohn stand auf, seiner Sinne nicht mächtig, er eilte hinaus. Im Vorzimmer
nahm er den weißen Arbeitskittel des Vaters vom Haken und den Hammer, der dalag, und
verbarg ihn unter dem Rock. Er dachte in diesem Momente an nichts anderes, als an den
Schatz... kein Gedanke mehr an den Sterbenden.. vor ihm tanzte und drehte sich
das geld, das Geld... lichtes, tanzendes Gold! Und er eilte davon. — Die
Straßen waren leer, er lief durch sie.. da kam er in jene lange Straße, durch die vor
vielen Jahren der alte Weldein das gewonnene Geld getragen.. und bald zur Brücke, auf
der er einen Tag später gestanden, verzweifelt und jammernd, während unter seinen Füßen
all der Reichtum lag, der ihn selig gemacht hätte. Da also.. und schon stand er am
zweiten Pfeiler... Ober ihm wölbten sich die Bogen der Brücke, neben ihm rauschte der
Strom hin, die Strahlen des Mondes auf seinen Wellen weiter tragend.
Und Franz Weldein begann sein Werk. Nach wenigen Minuten waren zwei Lagen von
Steinen ausgesprengt. Nichts.. nichts. Jetzt rollte ein Wagen oben über die Brücke
dumpf.. schwer.. Franz begann von neuem.. Und hier.. ja.. etwas, das aussah wie ein
Tuchende.. und jetzt. noch ein Stein.. Es rauschte und hallte wieder.. und das? das!
Es war dunkel unter der Brücke, mit beiden Händen griff Franz nach etwas Weißem, das dalag.
Ein Tuch.. zusammengebunden. Auf damit.. Er riß die Knoten auseinander.. Gold.
Banknoten.. Id! er war's! der Schatz! Der Reichtum, das Glück! Und Franz steckte das Ganze
unter den Kittel.. mit zitternden Händen.. War's denn möglich? Und wie er unter der
Brücke wieder hervortrat, und das Licht der freundlichen Nacht ihn umglänzte, da hätte er
auf die Knie fallen mögen, weinen.. vor Freude.. vor Glück. Er begann zu lansen..
plötzlich hielt er inne.. Er blickte um sich. Niemand in der Nähe? Ja doch, ein paar
harmlose Spaziergänger.. Aber schnell gehen mitten in der Nacht könnte Verdacht erregen
Verdacht? Hat er denn ein Unrecht gethan. Nun.. immerhin.. Und so ging er dann in
bedächtigem Schritt weiter, die linke Hand gemächlich in der Hofentasche, mit der rechten
seinen Reichtum unter dem Arbeitsrock schützend.
Ein Gefühl von unendlichem Frieden überkam ihn allmählich.. Nun war alles gut.
Und sein Bild so gut wie vollendet.. Ruhe, Reichtum.. alle Wohnen der Erde! Und der
alte Mann, der sterben mußte? — Der junge Weldein begann rasch zu gehen.. wer weiß,
ob der Anblick des wiedergefundenen Geldes den Alten nicht wieber gesund machen würde.
Was hatte ihn denn krank gemacht? Die Armut, die Hoffnungslosigkeit, das Elend. Also hin,
rasch hin, um ihm das Glück und die Gewißheit guter Tage zu bringen. Als er in das kleine
Vorzimmer trat, war alles ruhig. Nur keine Uebereilung. Er wechselte den Rock, hing den
Arbeitskittel wieder an den alten Platz. Das Tuch mit dem Geld schob er unters Hemd.
Nun ins Zimmer. „Vater“, rief er, „ich bring es! ich hab es!“ Und er stürzte zum Bette
hin, da lag der Kranke bewußtlos, mit keuchendem Atem. Kalter Schweiß auf der Stirne.
Gewiß, es ging zu Ende.
„Vater!“ rief Franz.. Keine Antwort!
Vergeblich bemühte sich Franz, den Alten zu erwecken.. er rief ihn an, er schrie, er
fuhr ihm durch das wirre Haar. Er hauchte ihn an.. Er rieb ihm die kalten Arme und
Beine mit seinen warmen Händen.. Einmal glaubte er zu bemerken, daß sich die Augen¬
lider öffnen wollten. Nichts.. nichts.. Der Atem wurde schwächer.. Keine Bewegung;
keine Antwort, die Zeit verrann, ratlos saß Franz da.. „Vater!.. Das Geld! ich hab
es hier.“
Gegen morgen kam der Arzt. Er schritt rasch auf das Bett zu, kaum vernehmlich
grüßend.. Er griff nach dem Puls.. „Nicht mehr fühlbar..“ sagte er.
„Wie.. Sie meinen also?"
„Ich bitte“ — flüsterte der Arzt, den Finger auf den Mund legend. Er wollte Ruhe,
wollte den Atem beobachten. Er stand aufrecht da... dann beugte er sich zur Brust des
Alten und legte sein Ohr daran... Nach zehn, zwanzig Sekunden erhob er sich langsam und
streckte dem Sohn, der am Fußende des Bettes stand, den Blick angstvoll auf den Arzt gerichtet,
die rechte Hand entgegen. Wortlos... „Er ist tot?“ schrie Franz auf.. die Hand ergreifend.
„Er hat ausgelitten“, sagte der Arzt bewegt. Franz sank auf einen Stuhl, dabei hörte
er selbst, wie die Goldstücke an seiner Brust aneinanderklangen. Er zuckte zusammen, griff mit
der einen Hand darnach. Dann schaute er den Doktor an, ob er es gemerkt hätte... nein!
der war zum Fenster getreten. Er öffnete es. „Es ist so schwül hier." sagte er leise. Die
Morgensionne lag über den Nachbarsdächern.
VIII.1/2
Zwei Männer gingen miteinander die Stufen zum Klub hinauf... Graf Spann und
Franz Weldein.
„Sind Sie denn wirklich in der rechten Stimmung?“ fragte der Graf
„Sie wundern sich darüber?"
„Begreiflicherweise! Bedenken Sie nur, Sie kommen von dem kaum geschlossenen Grab
Ihres Vaters zu mir gelaufen und beschwören mich. Sie heute hieher, an diese Stätte des Glanzes
und der Freude zu führen."
„Für mich ist sie nicht das! Für mch ist fie der Ort meiner Studien Und gerade
dieses Bild liegt mir am Herzen, ich muß es malen, muß, es bald malen
„Sie haben doch schon vieles fertig?"
„Skizzen... ja... es fehlt mir noch etwas... irgend etwas." Sie waren unter¬
dessen in den Vorsaal gekommen und begaben sich geradewegs in den Spielsaal.
„Und was fehlt Ihnen?" fragte der Graf.
„Sie werden vielleicht lachen.“
„Die über eine Künstlerlaunje, mein Lieber.“ Beide waren durch die Thüre des Spiel¬
saales getreten und standen ganz nahe dem grünen Tische, an dem die Spieler saßen.
„Nun, Herr Graf." setzte der junge Weldein fort, während sein Auge auf die Karten
blickte. „Die Begeisterung zu dem Bilde fehlt mir noch?“
„Sa?... Das ist doch nicht sonderbar? Sie werden die glückliche Stunde schon
einmal finden!“.
„Wann?"
„Das kann ich nicht wissen," sagte der Graf lächelnd.
„Aber ich weiß es," stieß der Künstler so heftig hervor, daß ihn der Graf befremdet ansah.
„Nun?" fragte er.
„Ich selbst, ja, Herr Graf; ich selbft muß einmal empfinden, was diese Menschen hier
empfinden.“
„Wie?“
„Verstehen Sie mich recht. Herr Graf! Leider — ich weiß es ja, liegt in meiner ganzen
Kunst etwas Krankhaftes... Sie wissen — ich kann eigentlich nur gewisse Dinge malen
dies ist doch nicht ganz in der Ordnung.