A145: Reichtum. Erzählung, Seite 11

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„Ja, ja." sagte der Graf, „das ist wohl ein mischen verrückt.“
„Verrückt," betonte Weldein, „ja, das ist das Wort — und ich bin so verrückte" er stieß
die Silben hervor... „ja, so verrückt, hier mitspielen zu wollen...“
Graf Spaun blickte ihn fest und ruhig an... „Hier?"
„Ja.. I
„Hm!“
„Ich muß von diesem Feuer die Funken mitnehmen können.. Sie verstehen mich doch;
diese... gerade diese Funken brauche ich!...
„Ihre Idee, mein Freund, ist schwer durchführbar... Denn an sich würde ich sie nicht
gar so verrückt finden.. Ja... es steckt sogar eine richtige Ueberlegung darin... Aber Sie
wissen, so gerne Sie hier als der talentvolle Künstler gesehen sind, von dem man weiß, daß
er für sein Werk Atem und Leben sucht, ebenso...
„Wie? Herr Graf? Ein Wort von Ihnen würde nicht genügen, um mir für — für einen
Abend nur auch das Gastrecht an diesem Tische zu gewähren..
„Nun, gewiß könnte man mir das nicht abschlagen... “ aber....“
„Was hält Sie noch ab?" Glühenden Auges verfolgte der Maler unterdessen das Hin-
und Herfliegen der Riesensummen, welche auf die Karten gesetzt wurden.
„Sie sehen ja selbst, mein junger Freund, hier wird um Beträge gespielt...
„O, Herr Graf... Das wäre kein Grund."
Kein Grund? Ich glaube doch.
„Ich besitze noch ebenso viel Geld, als...“ und er sah dem Grafen scharf ins Auge,
„als mein Vater an diesem Tisch gewonnen.“ Der Graf blieb einen Augenblick sprachlos...
Dann trat er einen Schritt zurück und sagte leise und hastig zu dem jungen Weldein: „Seit
wann wissen Sie?" „Seit seiner letzten Stunde!" „Also doch. Ich dachte es ja! Anfangs
meinte ich, er hätte es verspielt und verthan... Also versperrt! Ein Geighals geworden!
„Nein, Herr Graf nicht das es war anders... Später will ich Ihnen
davon erzählen... genug, daß ich geerbt habe, das ich es besitze.“ Ohne weiter ein Wort zu
sprechen, kam der Graf mit dem Künstler auf den Spieltisch zu, und sagte: „Meine Herren,
unser junger Freund, der Maler Weldein, den Sie alle kennen... möchte um die Ehre
bitten, einmal an Ihrer Partie teilnehmen zu können."
„Mit Vergnügen... gewiß, bitte sehr, hieher...“ so klang es ihm entgegen. Und
da saß er. Es war wahr!
Hier an dem grünen Tische! Eine wonnige Aufregung überkam ihn... Er zog seine
Bankuoten hervor und legte sie vor sich hin... Da.. etwas flog vor ihn hin... eine
Karte. Er wollte sie nehmen. „Entschuldigen Sie," sagte der Geber... „Ihr Nebenmann.“
Ach ja, natürlich... es kam noch nicht an ihn... der Nebenmann verlor. Das
war ein Glück für ihn, für Weldein. Er durfte schon eine größere Summe wagen, denn nun
war die Wahrscheinlichkeit des Gewinnes für ihn eine weit größere. So... da vor ihm
lag seine Karte.
Er verlor... Ach, der erste Satz! Der ist bald zurückerobert... Er setzte wieder
und einen etwas höheren Betrag, als das erstemal. Die Karte Weldeins verlor wieder. Ein
dritter Satz -..wieder höher... Und wieder verloren.
Die Mitspieler sahen den jungen Mann erstaunt an; sie hatten ihn nicht für so reich
gehalten
Er selbst saß mit lächelnder Miene, aber mit einem eigentümlich starren Blick da...
Graf Spann sagte ihm leise: „Nun haben Sie wohl schon Anregung genug. Wie?“
Aber der junge Mann rührte sich nicht... er spielte weiter und verlor ununterbrochen.
Ein paar Zuschauer hatten sich gesammelt; man war erstaunt über das kühne Spiel des
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Malers. Bald war es allen klar, daß er eine große Erbschaft gemacht hatte und daß
guter Teil davon verloren war. Da sagte Graf Spaun: „Wollen Sie sich nun nicht ein
bischen ausruhen?“
Aber Weldein spielte weiter. Ein Satz nach dem anderen ging verloren. Man fing an, ihn zu
bedauern, man schüttelte den Kopf über seine wahnsinnigen Sätze. Sein Unglück war unsaßbar
Nur einen Augenblick schien es, als wollte sich die Sache wenden. Doch nein. Das alte Unglück
sing gleich wieder an. Und er lächelte immerfort, zum Schluß lachte er sogar hell auf! Und
jetzt erhob er sich. Es war zu Ende. „Guten Abend, meine Herren," sagte er. Man machte
ihm Platz, wie einem Menschen, vor dessen Unglück man Achtung haben muß. Er schritt dem
Ausgang zu... Man schaute ihm nach. Der Graf folgte ihm. Waldein eilte die Stiege
hinunter, die Straße entlang. An der Ecke holte ihn der Graf ein.
„Weldein... Weldein!"
„Ah — Sie, Herr Graf!“
„Wohin eilen Sie?"
„Ich weiß nicht...
„Machen Sie mir keineuchkeiten. Verstehen Sie! Keine Narrheiten. Es ist ja
weiter nichts verloren.“
„Nein, gar nichts!"
„Gewonnenes Geld! Ja, wenn's erworben, sauer erarbeitet gewesen wäre...
Der junge Künstler antwortete nichts, ging rasch vorwärts, den Weg durch die lange
Gasse nehmend... wie damals sein Vater. Mit Mühe nur vermochte es der Graf, an
seiner Seite zu bleiben. Er wiederholte: „Wohin laufen Sie denn eigentlich? Kommen Sie
doch mit mir... noch ein Glas trinken.
„Sie sind sehr liebenswürdig, Herr Graf; aber wenn Sie mir folgen wollen..
muß an eine ganz besondere Stelle, ich muß dahin.
„Wohin?"
„Wohin? Dorthin, wo mein Vater an jenem Abend das Geld vergraben hatte."
„Also doch vergraben!"
„Ja... und er vergaß die Stelle."
„Vergaß?"
„Ja — vergaß sie. Zwanzig Jahre lebte er so hin, als ein reicher Mann, der nur
nicht wußte, wo er sein Geld liegen hatte. Köstlich, nicht? Und auf dem Totenbette fiel
es ihm ein.“
„Wie? Was ist das für ein Märchen?“
„Nein! Wahrheit, Herr Graf! Und dieses Leben! Die ewige Qual.. als reicher
Mann darben zu müssen... und ich! Plötzlich fiel es mir zu! Und ich stand da als ein
Unabhängiger
„Wohin führen Sie mich denn?“
„Kommen Sie nur, wir sind bald dort!"
„Ja, was wollen Sie denn jetzt dort?"
„Eine Laune."
Eine Weile eilten sie schweigend weiter. Sie waren am Ufer angelangt.
„Da — die Brücke.“
„Nun?" fragte der Graf.
„Folgen Sie mir nur!“ Und er eilte den Weg hinab unter die Brücke... Er warf
sich neben dem Pfeiler zu Boden und rief aus: „Da! Da!“
„Wie —