A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 11

stellen, dass das linke Lid seinem Willen nicht so rasch gehorchte
wie das rechte. Doch das Auge selbst blickte klar,die Pupille ant-
G.H.F.P
wortete dem Lichtreiz ohne Zögern; und da Robert sich überdies
erinnerte, dass er die Nacht hindurch auf der linken Seite gelegen
hatte, schien immerhin eine genügende Erklärung für die Schwäche
des Lids gegeben. Trotzdem nahm sich Robert vor morgen Doktor
Beinbach oder Otto zu Rate zu ziehen oder, lieber noch, es darauf
ankommen zu lassen,ob sein Bruder die Ungleichheit der Lider von
selbst entdecken würde. Zugleich aber fühlte er diesen Vorsatz
wie von einer unbestimmten Angst durchzittert,ungefahr so, als wenn
er etwas Unrechtes begangen hätte und zumindest eines Verweises,
G.H.
wenn nicht gar einer Strafe, gewärtig sein müsste. Zuerst wehrte
er sich dagegen diese Regung zu verstehen; dann streckte er beide
Arme aus, wie um einen nahenden Feind abzuwehren, entfernte sich von
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seinem Spiegelbild und trat zum Fenster hin, an das die schweren
Regentropfen klatschten. Sein Blick fiel auf die Marmorstatue des
heiligen Christophorus,die gegenüber in einer Mauernische der
Kirche stand, geradeso wie vor zwanzig Jahren. Nun erst merkte er,
dass er sich in demselben Zimmer befand, das die Geliebte seines
Freundes Höhnburg vor so vielen Jahren bewohnt hatte; nur die Möbel
waren neu und statt der schweren dunkelroten Plüschportieren fiel
von der Messingstange des Alkevens in leichten Falten ein lichter,
geblümter Kretonvorhang herab, der zu der Farbe der neuen Tapete
gestimmt war. Sollte er diese Veränderung ins Helle und Freundliche
als günstige Vorbedeutung ansehen? Er versuchte es vergebene. Dem
mit grausamer Deutlichkeit stieg vor Roberte Sinnen der längst
vergangene Frühlingsabend wieder auf, an den nicht nur des Freundes
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