A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 16

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leeren und von bewohnten Räumen, störte irgendwo eine junge Dame
beim Klavierspiel, unterbrach anderswo einen Lehrer beim Unterricht
zweier Knaben, unterhandelte mit zuvorkommenden, gleichgültigen und
mürrischen Vermietern und Hausbesorgern und konnte sich bei all
dem niemals vorstellen, dass sein ganzes Unternehmen ernst gemeint
sei und zu einem bestimmten Ziel führen sollte. Einmal geriet er
in eine Strasse,wo Erinnerungen einer längst vergangenen Zeit ihn
umschwebten; hinter jenem Eckfenster im zweiten Stock hatte er vor
vielen Jahren glückliche, oder doch zum mindesten angenehme Stunden
verlebt; und, nicht eben schmerzlich, sondern eher wie einer kleinen
Unannehmlichkeit wurde er sich des Umstandes bewusst, dass er heute
so einsam in der Welt stand, wie kaum je zuvor. Flüchtig zog ihm
wieder Alberta im den Sinn; gleich darauf aber, farbig und scharf
du reh,
umrissen, tauchte sehr lebendig das Bild des Fräulein Käntner vor
ihm auf, der er sich durch den Abschiedsblick von gestern näher
verbunden fühlte. Er versuchte sich ihren Vornamen ins Gedächtnis
zu rufen, was ihm vorerst nicht gelang. Uebrigens wusste er wenig
von ihr und ihrer Familie; es war ihm kaum mehr bekannt, als dass
Mutter und Tochter sowohl daheim als auf Reisen meist ohne den Va-
ter zu sehen waren, der, ein gesuchter,fast berühmter Advokat, wegen
seiner unglücklichen Neigung zum Börsenspiel doch eines zwiespälti-
gen Rufes genoss. Hiemit mochte es auch zusammenhängen, dass die
einzige Tochter, die gewiss schon in der zweiten Hälfte der swanzi-
ger Jahre stand, bisher unvermählt geblieben war; und dunkel glaubte
sich Robert eines Gerüchtes zu erinnern, das sie mit einem berühmten,
seither verstorbenen Musiker verlobt gesagt hatte. Während er so
über sie nachdachte, wurde ihm ihre Gestalt immer rührender, und