A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 29

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Male für möglich hielt, in einem Dämmerzustand einen Mord began-
gen,so lag alles andere gleichfalls im Bereiche der Möglichkeit,
vor allem List und Tücke jeder Art, um das Verbrechen zu verschlei-
ern. Es war ihm bewusst, dass all diese Einfälle und Erwägungen
im Verlauf von wenigen Sekunden durch sein Hirn gejagt waren. Nun
aber, da er Mariannens Augen mit einem unverkennbaren Ausdruck der
Besorgnis auf sich gerichtet sah, fühlte er, dass er tötlich er-
blasst war; und er sagte sich, dass es vor allem darauf ankam,
sich nicht zu verraten. Mit einer gewaltigen Willensanstrengung
vermochte er seinem Antlitz einen harmlosen Ausdruck zu verleihen
und er bat Marianne ihn bei seinem Bruder zu entschuldigen, da er
jetzt eilen müsse,um eine Wohnung auf der Wieden, die nur bis zu
einer gewissen Stunde zur Besichtigung frei stände,nochmals in
Augenschein zu nehmen. "Für morgen aber lade ich mich wieder zu
Tisch bei Euch ein, wenn ich nicht doch vielleicht“, setzte er ei-
lig hinzu, "für ein paar Tage auf den Semmering fahre". - "Unru-
higer Geist“, rief Marianne ihm zum Abschied nach.
Als er aus dem Tore trat,stand gegenüber, vor einem
grossen Spiegelfenster,eine Zigarre rauchend,ein Herr von frag-
würdig-verdächtiger Eleganz, der mit auffallender Raschheit den
Blick wandte, als Robert ihn ins Auge fasste. Sind wir so weit?
dachter er flüchtig. Dann aber lachte er. Es wäre das Neueste,
sagte er vor sich hin, wegen einer Wahnidee verhaftet und sur Re-
chenschaft gezogen zu werden. Denn dass es nur eine törichte Ein-
bildung gewesen war, die ihn früher überfallen, dessen war er jetzt
wieder ganz gewiss. Ob man aber nicht doch, dachte er weiter, ver-
sichtshalber an die Schweizer Hoteldirektion schreiben sollte?