A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 32

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richtete er unbefangen das erste Wort an sie.
„Würden Sie mir’s übel nehmen, Fräulein, wenn ich um die
Erlaubnis bäte, mich Ihrem Spaziergang anzuschliessen?"- Sie
darauf mit einer angenehmen Stimme, weder erstaunt noch beleidigt:
"Es ist kein Spaziergang,ich gehe nachhause." Sie sah ihn kaum
an.- „Aber die Erlaubnis“, meinte er,“garf ich wohl als erteilt
annehmen?“
Sie zuckte die Achseln, etwa, als wollte sie sagen:
Mit mir muss man wirklich nicht so viele Geschichten machen;-
dann erst sah sie ihn von der Seite an. Er sprach davon, dass sie
ihm schon auf der Ringstrasse aufgefallen sei;- wie sie aus der
Bank gesessen war, die Hände in den Manteltaschen, die Rolle auf
dem Schoss, den Blick vor sich hin gerichtet,- das sei ein hüb-
sches Bild gewesen.- "Sie sind doch kein Maler?" fragte sie.-
"Leider nicht",erwiederte er. Und da er keinen Grund hatte ihr
seinen Namen zu verhehlen, so stellte er sich in aller Form vor.
Sie nannte den ihren ganz beiläufig,und in dem leicht weiterflies-
senden Gespräch, ohne sich erst eindringlich fragen zu lassen,er-
zählte sie ihm allerlei von ihrem Leben. Sie gab Klavierlektio-
nen; ihr Mann, ein Magistratsbeamter, war vor drei Jahren gestor-
ben; und nun, verwitwet und kinderlos, wohnte sie in einer nahen
Seitengasse, bei einer besseren Handwerkersfamilie. Im vergangs-
nen Sommer hatte sie sich zum ersten Mal nach ihres Mannes Tod
drei Wochen Urlaub gegönnt, die sie in einer kleinen wohlfeilen
Sommerfrische nahe von Wien verbrachte. "Dort habe ich mich auch
wieder verlobt“, setzte sie hinzu. „Es ist aber nichts draus ge-
worden. Besser so,“ schloss eie schselsuckend, als sei sie kein
besseres Schicksal gewohnt und nie eines besseren wert gewesen