A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 38

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dessen Erinnerung zu ertragen er nicht stark genug gewesen wäre.
Und plötzlich, mit stille stehendem Herzen, richtete
it aine
er sich im Bette auf, Drängte sich ihm die Vermutung immer ge-
bieterischer auf, dass Alberta von seiner Hand den Tod gefunden,
so war sie vielleicht nicht die einzige gewesen,die dieses Schick-
sal erlitten hatte. Vor mehr als zehn Jahren war seine junge Frau
völlig unerwartet dahingeschieden. Eines Morgens war er in ihr
Schlafzimmer getreten, um vor dem Gang ins Amt ihr den gewohnten
Kuss auf die Stirn zu drücken; da hatte er sie tot im Bette ge-
funden; und er erinnerte sich heute mit Grauen, dass er damals,
im ersten Augenblick wenigstens, keine sonderliche Erschütterung.
ja kaum ein heftiges Erstaunen verspürt hatte. Der Arst hatte
den Tod der jungen Frau wohl als ein an sich seltehes Vorkommnis,
aber doch mit Rücksicht auf ihre, für so junge Jahre nicht uner-
hebliche Ueppigkeit und auf gewisse von Zeit zu Zeit auftreten.
de Herzbeschwerden keineswegs als rätselhaft hingenommen; und da
im übrigen nicht der geringste Verdacht auf Selbstmord oder gar
auf ein Verbrechen vorlag, so war der Leichnam ohne weitere Unter-
suchung ins Grab gesenkt worden. Die Ehe hatte innerhalb ihrer
genzen dreijährigen Dauer durchaus als glücklich gegolten, und
Robert hatte das liebevolle, sanfte, etwas bequeme Geschöpf stets,
nicht nur vor den Leuten, sondern auch daheim) wenn nicht mit Zart-
lichkeit, doch mit ritterlicher Galanterie behandelt. Nur er
selbst wusste, wie schwer er von allen Anbeginn gerade unter der
Sanftmut und Gutherzigkeit seiner Frau gelitten hatte; wie ihre
zuweilen törichten Bemerkungen,wie ihr Schweigen, wie ihre Art
mit gerundeten Lippen seine Küsse hinsunehmen und zu erwarten.