A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 80

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sein konnte. Und er erwog,ob nicht Otto, dem eigenen Scharfblick
gerade in diesem Falle nicht völlig vertrauend, seinen Kollegen
ersucht hatte Robert unauffällig zu beobachten. Eines war sicher,
dass die Beiden, Otto und der Professor, nachher eine Weile in ei-
ner Fensternische sich angelegentlich miteinander unterhalten
hatten. Und einmal hatte von der Nische her Otto den Bruder mit
einem flüchtigen Blick gestreift und gleich wieder weggeschaut.
Von plötzlicher Unruhe gepackt schaltete Robert das
Licht ein,sprang aus dem Bett und trat vor den Spiegel. Das Ant-
litz,das ihm entgegensah,mit fahlen Wangen,weitaufgerissenen Au-
gen und zerrauftem Haar,einen fremden Zug um die Lippen,erschreck-
te ihn tief. War das überhaupt sein Gesicht? Ja, das war es wohl,
aber so, wie es sich Einem offen baren musste, dem es gegeben war
hinter den gepflegten Masken des Alltags das echte, das wahrhafti-
ge zu erkennen,in das die die Spuren all der Aengste eingegraben
waren, die ihn sein halbes Leben lang verfolgt und endlich durch die
Welt gejagt hatten. Wenn auch ihre Macht in den letzten Wochen
gemildert schien,- seiner Umgebung musste das keineswegs ebenso
einleuchtend sein wie ihm selbst, und es war sehr naheliegend, dass
Otto, der seit Jahren eine ernstere Nervenerkrankung,vielleicht
den Ausbruch einer Geistesstörung bei ihm befürchtet hatte, ihn
fortdauernd beobachtete und beobachten liess. Dem Professor war
er noch niemals im Hause des Bruders begegnet, das man ihn heute
geladen hatte, das konnte kein Zufall sein. Gewiss war Otto beun-
ruhigt, hatte Sorge um ihn und in diesen guten Tagen mehr als je
suvor. Gerade jetzt, da Roberts Schicksal äusserlich und innerlich
eine günstigere Wendung zu nehmen begann, da er zum ersten Mal