A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 81

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seit zwanzig Jahren erhobenen Hauptes in die Zukunft schauen durf-
te,war er seinem Bruder immer nur verdächtiger geworden. Aber ob
die Gründe für dieses wachsende Misstrauen nicht ebenso sehr,
ja eher noch bei Otto gelegen sein konnten als bei ihm? Ob es
sich nicht so verhielt, dass Otto, der in seiner eigenen Seele die
ersten Zeichen einer Verstörung zu erkennen glaubte und davor
zurückscheute sie sich einzugestehen, das Unheil in satanischer
Weise von sich abzuwenden versuchte, indem er es in eine andere,
seiner Ansicht längst dafür vorbestimmten Seele,in diendes eige-
nen Bruders hinüberdeutete? Wie oft schon hatte man gehört und
gelesen, dass ein Wahnsinniger die Gesunden in seiner Umgebung
für wahnsinnig hielt, dass ein geistig völlig normaler Mensch
fälheblich als irrsinnig erklärt und ins Marrenhaus gesperrt wur-
de? Und nichts erweist sich schwerer, als einen Irrtum solcher
Art auch für Aussenstehende aufzuklären,wenn die Aufmerksamkeit
auf die
einmal falsche Bahn gelenkt worden ist. Robert dachte an
Gerichtsfälle,an Zeitungsnotizen, die von zufälligen.leichtferti-
gen oder verbrecherischen Irrtümern solcher Art erzählten. Und
wie nahe lag ein solcher Irrtum gerade in seinem eigehen Fall.
Sein Leben lang,mindestens seit Höhnburgs Erkrankung,war er
selbst von allerlei Zwangsvorstellungen und schlimmeren Wahr
gequält worden und hatte das seinem Bruder nicht nur eingestan-
den, sondern ihn geradezu gebeten mit ihm ein Ende zu machen, wenn
das Furchtbare Wahrheit würde; nicht gebeten nur,er hatte ihm
ein Dokument übergeben, das Otto dazu verpflichstet und sogleich
jeder Verantwortung entband. War es nicht vielleicht gerade die-
ses unglückselige Schriftstück gewesen, das in die Seele Otten