A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 56

Hause, für diesen eine untreue Geliebte, in Wahrheit aber ein verzweifel-
tes, in ihrer Liebe schwer gekränktes junges Weib. Den Anlass zu den fol-
genden Verwicklungen bietet dieses Ereignis. Beatrice ist verlassen und
nimmt die Liebeserklärung Vittorinos, des Gesellen ihres Vaters, an. Es ist
der gleiche Nachmittag. Die zu gewärtigenden Aufregungen des kommenden
Tages schaffen auf den Strassen eine fieberhaft bewegte Atmosphäre. Herzog
Lionardo will für diesen Abend das schönste Mädchen von Bologna in sein
Schloss führen. Rosina, die Schwester Beatricens, hofft, die Auerwählte
zu sein. Inzwischen willigt Beatrice auf Drängen ihres kampfgerüsteten
Bruders in die Ehe mit Vittorino ein. Im gleichen Augenblick, da sie zum
Kirchgang aus dem Hause treten, kommt der Herzog vorbei, erblickt Beatrice
ist von ihrer Unschuld hingerissen, verlangt sie zur Geliebten, verspricht
ihr auf ihren Wunsch sogar die Ehe, die am gleichen Tage in der Kirche San
Petron eingesegnet wird und bewirkt so, dass der betrübte Bräutigam seinem
Leben mit einem Dolchstosse ein Ziel setzt. Zu der Hochzeitsfeier wird die
ganze Stadt eingeladen. Beatrice eilt von der Festtafel fort zu ihrem ge-
liebten Filippo, um mit ihnen zu sterben. Als dieser ihr einen Becher rei-
nen Weins reicht und ihr sagt, sie tränke Gift, wird ihr plötzlich vor
dem Sterben hang. Mit dem Ruf: „So wollt) ich's nicht!“ klagt sie um ihr
anscheinend verlorenes Leben und stösst den Geliebten, der ihren blühenden
Körper zum letzten Mal liebend umarmen will, von sich: „Schmäh' mich nicht!
Es musste anders kommen! Aber so ist's wie ein Morden aus dem Hinterhalt.
„Nieiglaubt’ ich, dass du tückisch bist und feig - jetzt hass' ich dich!“
Filippo sagt ihr nun die Wahrheit, dass sie kein Gift genossen habe und
gänzlich frei sei: Es war kein Quentchen Tod in diesem Wein, und wie zuvor
ist alles Leben dein.“ Beatrice bittet ihn um Verzeihung. Er aber sagt,
es gebe nichts zu verzeihen, sie habe ja garnicht gefehlt: Nur ist's dein
Wesen, dass mit jedem Pulsschlag durch deine Adern andere Wahrheit rinnt.
Danach schickt er sie fort. Sie aber will jetzt bleiben. Vergebens. Er grei
zu einem wirklichen Giftbacher und sinkt sterbend zu Boden. Beatrice wirft
sich voller Verzeiflungüber ihn, nimmt die Giftschale in die Hand, daraus
zu trinken, hat dann jedoch wiederum nicht den Mut dazu, reisst in ihrer M
Angst die Vorhänge des Alkovens herunter, läuft hinaus und schreit wie von
Sinnen „Leben!--“ Und immer bewegter wird es in Bologna. Die schönsten
Famuen und Mädchen der Stadt sind zur Hochzeitsfeier geladen. Auch Filippe
Loschi soll auf des Herzogs Geheiss daran teilnehmen. Mariscotti, der von
Cesar Borgia zum Nachfolger Lionardos ausersehen war und im Kerker schmach
tet, muss auf des Herzogs Wunsch das Fest erleben und alle Freuden und Be-
gierden dieser wundersamen Nacht durchkosten, um endlich enthauptet zu
werden:
dann
Geleite man ihn höflich in den Garten.
Dort aber- bind' man ihn an einen Baum,
Inmitten aller dieser Lustbarkeiten.
Das Lachen und die Seufzer wilder Lust
Umtön' ihn, seine Blicke tauchen ein
In üppiges Gewirr berauschter Leiber
Was Menschen seiner Art an Vonnen kennen,
Im Flackerleuchten dieser roten Nacht
Tanzi es um ihn, dass wütende Begier
Ihm in die kettenlahmen Glieder fahre.-
Ihr aber Guidetto, neben ihn
Stellz Euch mit blossem Degen hin und wartet,
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Bts Buch Befehl wird, in den Morgentau
Zertretnen Wiesengrüns sein Haupt zu schleudern!
Alle Kinder, die aus den Entzückungen dieser Nacht hervorgehen,
nennt Herzog Lionardo schon jetzt adlig geboren. Herrliche Lampions glühen
im Garten auf und buntes Leben erwacht in den Laubenhainen, Gängen und Grot
ten des Paris. Doch jählings brechen auf einmal Musik Tanz und Festgelage
ab, denn Lionardo stürmt durch den Garten mit dem Rufs, Die Herzogin ist ford