A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 72

-3-
Er versuchte es noch zwei Mal und traf in einen der äusseren
Ringe. Nun kam ich an die Reihe, der ich allerdings - wie ja
auch, wenn ich als Schriftsteller die von Schnitzler gewiesene
Richtung weiter verfolgte - den Vorteil hatte, dass ich von
Schnitzlers Beispiel etwas hatte lernen können. Ich nahm denn
auch die Kugel viel vorsichtiger in die Hand und kalkulierte
lange ihre Flugbahn, bevor ich sie losliess - etwas zu lange für
Schnitzlers Ungeduld, der meine Ueberlegungen mit den Worten
lustig ausfällig unterbrach: "Hier hilft Ihnen die Philosophie
nichts!" In diesem Augenblick gab ich die Kugel vorsichtig
frei, sie schwang bedächtig aus, traf, etwas zittrig und unsicher
zwar, immerhin ins Schwarze. "Also, zu etwas ist sogar die Phi-
losophie gut!" triumphierte ich lachend. Und Schnitzler lachte
mit, wie nur er lachen konnte, über den Streich, den ihm die Philo-
sophie gespielt hatte.
In dieser lachenden Geberde vor allem, die zum Bild
unseres Dichters gehört, siegt bei Schnitzler der Räsonneur über
den gestaltenden, der naturwissenschaftlichen Erkenntnis und
Methode verschworenen Künstler. Wenn der Geist einmal ausnahms-
weise Recht behält im Kampfe mit einer blos stofflichen wirklich-
keit und sich dabei als wirklich er erweist als sie mit ihrem ganzen
angemassten Pathos der Tatsächlichkeit, mit anderen Worten: im
Lustspiel räumt der Gestalter dem Denker den Vortritt ein und
indem diese beiden beim Eintritt in die Materie an der Türe
Höflichkeiten tauschen, springt zwischen ihnen dasjenige auf,
was man im Französischen "le mot heureux" nennt. Schnitzler war
der vielleicht letzte grosse deutsche Autor dieses unphilosophi-
schen Zeitalters, bei dem die Philosophie diese angenehme Form