A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 73

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annahm und der bis an sein Lebensende das schöne Vorrecht be-
sass, solche Worte in Umlauf zu setzen. Soll man Beispiele an-
führen? Sie finden sich in allen seinen Werken, zumal den drama-
tischen, die ja der mündlichen Ausdrucksform naturgemäss näher
stehen, und in denen er sich unmittelbarer durch den Mund einer
seiner Figuren aussprechen konnte, während er sich als Erzähler
strengere Zurückhaltung auferlegte und seiner guten Erziehung
in der Schule Flauberts auch dadurch Ehre machte, dass er All¬
gemeinheiten in den erzählenden Bericht einzuflechten beinahe
ängstlich vermied. Im Drama ergaben sie sich von selbst überall
dort, wo der in der Schule des Wiener Burgtheaters, zumal des
Burgtheaters der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, mün-
dig gewordene Geist eines seiner Helden die Verwandtschaft mit
dem Geist seines Schöpfers einbekennen durfte. Dies geschah am
häufigsten in jenen Augenblicken des dramatischen Geschehens,
in welchen die Reflexion die Handlung ablöst, um aus dem Vorge-
fallenen kluge Schlüsse zu ziehen und den Einzelfall zum Axiom
zu erweitern. Ein Vorgang, der dem Wiener sehr geläufig ist und bei
unseren grössten Dichtern wiederkehrt, von Raimund und Grillparzer
bis auf die letzten Ausläufer dieser bodenständigen Richtung,
welche Schnitzlers "Jung-Wien" zusammenfasste. Der Wiener ist
ein Philosoph - eine Aehnlichkeit mehr mit dem Pariser - und
auch Schnitzler ist Philosoph, insoferne er Wiener ist. In seinen
ersten, leichten Komödien, die fast wie die Proverbs von Musset
plaudern, begegnen wir diesem Zug, und bis in seine letzte Dich-
tung “Der Gang zum Weiher“ lässt er sich verfolgen. Im „Para¬
selsus“ beispielsweise, welcher Einakter aus den Neunzigerjahren
des vorigen Jahrhunderts, ebenso wie die gleichaltrige "Frage