A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 95

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teren Novellen wird, umso mehr hört man seine Güte heraus: je
tragischer sie im Vortrag werden,umso bedeut samer werken sie in
dichterischen Sinn.
Das dritte Erlebnis, das Schnitzler betraf, war so tief
dass er nicht wagte mehr es zu gestalten. Denn im Krieg ging
die Welt unter, die er schildert und gelebt, das alte habsburgi-
sche Oesterreich, und in diesem Chaos zerschellte auch sein persön-
liches häusliches Glück. Er erlebte, was er ahnend in manchem
Werk vorausgestaltet,an seiner Frau und an seiner Tochter. Ueber
dieses letzte Erlebnis hat er (ausser in seinen Tagebüchern)
nicht geschrieben: Allerpersönlichstes konnte dieser zarte Mann
nie aussprechen, nicht einmal andeuten. Lieber blieb er stumm als
hart zu werden. So hat er die neue Welt des Nachkriegs nicht
mehr zu erfassen gesucht, sie war ihm zu fremd. Aber neuerdings
hat ihn diese Erschütterung näher heran an sich selbst gefuhrt,
durch diesen Einsturz seiner menschlichen Welt gelangte der
Künstler erst in seine letzte Tiefe. Seine nach dem Kriege ge-
schriebenen Novellen "Fräulein Else", „Die Traumnovelle“ und
"Flucht in die Finsternis" wissen mehr von den Menschen als alle
früheren, weil er selbst von den Menschen das Letzte und Entschei-
dende erfahren und der schwere Schatten des Todes, der über ihrem
Grund sichtbar lastet, macht sie tragisch in einem ganz grossen
und gewalt,igen Sinn, Auch technisch sind sie seine Meisterwerke.
Das "Fräulein Else" mit dem stmenden unruhigen Takt eines ge-
jagten Herzens, die Traumnovelle mit ihrem deutsamen tiefsinnigen
Spiel zwischen Wahrheit und Wahn. Gerade auf der letzten Höhe
seines Alters erreicht Schnitzler die letzte Höhe seiner Kunst