A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 134

G.C.F.P.
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noch nicht aufgefallen sein, was fuer komplizierte Subjekto wir Menschen
im Grunde sind? So vieles hat zugleich Raum in uns - Liebe und Trug...
Treue und Treulosigkeit... Anbetung fuer die eine und verlangen nach ei-
ner andern oder nach mehreren. Wir verglichen wohl Ordnung in uns zu schaf-
fen, so gut es geht, aber diese ordnung ist doch nur etwas kuenstliches...
Das Natürliche.. ist das chaos. Ja, mein guter Hofreiter, die seele ist ein
weites Land, wie ein Dichter es einmal ausdrueckte...Es kann uebrigens
auch ein Hoteldirektor gewesen sein."
Aus dem bis jetzt Gesagten laest sich schon schliessen, dass das maupt-
augenmerk Schnitzlers auf die Entwicklung der Charaktere und der in ihnen
schlummernden Schicksale gerichtet ist. Diese Entwicklung gibt die eigent-
liche Handlung des Stueckes ab, alles andere ist Begebenheit, Mittel zum
Zweck. So richtet sich denn auch der ganze grosse Apparat, der fuer die
späteren stücke in Bewegung gesetzt wird, nach einigen wenigen Personen.
Die andern sind, um nochmals die Worte des Arztes im "Ruf des Lebens" zu
betonen, "nur da", nicht als Schicksale, sondern als Werkzeuge des Schick-
sals. Es schliefst nicht aus, dass zur Erhöhung des Pfakts, zur Lebendig-
machung der Idee und zur Verstärkung ihrer Wirkung Parallelen und Episo-
den eingeschoben werden. Sie sind in allen Schnitzlerachen stücken zu fin -
den. So wird im "Maerchen" dem freien verhältniss zwischen pelix Denner
und Fanny das stets auf die landaufige Moral besuchte zwischen Adalbert
Wandel und Clara gegenueber gestellt; in "Liebelei" ist es das tragisch
ausgehende Verhältniss Christinens zu Fritz,dem das von beiden seiten
nie ernst genommene verhältniss zwischen Mizi und Theodor zur geite geht
im „Vermächtniss“: das freie und als äusserst glücklich geschilderte