A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 140

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ten dieses mannigfaltigen und verschlungenen Lebensieben deshalb aber
haette Medardus, von der Grosemut des Kaisers bezwungen, zum Leben zurück-
kehren und seine Rache späterhin mit mehr Erfolg und mit gesteigertem
Rachegefühl zur Ausführung bringen koennen.
Maerchen, Liebelei, Vermächtniss, Zwischenspiel, Der Ruf des Lebens, Das
weite Land", sowie die Einakter, also die Mehrzahl der Schnitzlerschen
Werke haben, was ich einen offenen Schluss nennen möchte. Die Men-
schen kommen zur Einsicht in sich und ihre Beziehungen zu ihren Mitmen-
schon, sie gehen nach dieser Einsicht auseinander oder ruecken sich viel-
leicht nacher, oder sie nehmen neue Stellung zum Leben, dessen Tiefen
und Gefahren sie auf Augenblicke geehnt haben. Menschen dieser Art mussen
einen hohen Grad von Intelligenz besitzen, jedenfalls muss in ihnen der
Verstand die Oberhand ueber das Gefuhl gewinnen koennen, oder das gefühl
ist eines grossen, alle Bedenken niedersturmenden Ausbruchs uerberhaupt
nicht faehig, ist dessen nie fähig gewesen. Solche Menschen- und man muss
nicht vergessen dass sie Theatermenschen sind- stehen immer in der Ge-
fahr, die Absichten ihres Schoepfers zu verraten, aus ihrer Rolle herauszu-
treten und unz zu sagen, wozu sie da sind, was ihre und damit des Dichter
Absicht ist, kurz, die Tendenz des Stueckes zu betonen. Im folgenden Kapi-
tel werde ich nachzuweisen suchen, dass das soeben Gesagte auf Schnitzlem
Dramen zutrifft und bis zu welchem Masse.